Wir müssen uns mehr mit wirtschaftlichen Fragen befassen!

Wirtschaftliche Themen sind im linken Spektrum vollkommen unterrepräsentiert. Es wird über Identitätspolitik gestritten, statt den Fokus auf die Wirtschaft zu legen. Dabei strukturiert sie die Gesellschaft und sorgt für Ungleichheit im höchsten Maße.“1 – Wolfgang M. Schmitt

Sich mit dem Thema Wirtschaft in der Tiefe zu befassen ist mühsam. Ich weiß, wovon ich rede. Marx schimpfte in einem Brief an Engels auch über die „ökonomische Scheiße“2, was ihn natürlich nicht davon abbrachte, sich mit dem Thema zu befassen. Es genügt nicht, sich mit gesellschaftspolitischen Ideen zu befassen oder politische Konzepte getrennt von ihrer ökonomischen Basis zu betrachten. Das wäre bestenfalls Utopismus. Der historische Materialismus stellt an uns andere Qualitätsanforderungen bei der Betrachtung der Welt.

Engels schreibt im „Anti-Dühring“:

Die materialistische Anschauung der Geschichte geht von dem Satz aus, daß die Produktion, und nächst der Produktion der Austausch ihrer Produkte, die Grundlage aller Gesellschaftsordnung ist; daß in jeder geschichtlich auftretenden Gesellschaft die Verteilung der Produkte, und mit ihr die soziale Gliederung in Klassen oder Stände, sich danach richtet, was und wie produziert und wie das Produzierte ausgetauscht wird. Hiernach sind die letzten Ursachen aller gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Umwälzungen zu suchen nicht in den Köpfen der Menschen, in ihrer zunehmenden Einsicht in die ewige Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern in Veränderungen der Produktions- und Austauschweise; sie sind zu suchen nicht in der Philosophie, sondern in der Ökonomie der betreffenden Epoche.“3

Das ist nicht bloß trockene Theorie. Heruntergebrochen bedeutet die Frage der Ökonomik wie viele Investitionsmittel zur Verfügung stehen, wie viel jeder Haushalt als Budget besitzt und somit auch letztendlich, wie viel jeder Werktätige im Geldbeutel hat. Faktoren wie Mietkosten, Lebensmittelpreise, Produktionskosten und so weiter fließen da mit rein. Die ganze gesellschaftliche Lebensgrundlage ist ökonomisch. Engels selbst mag bemerken, dass die Ökonomik nicht „das einzig bestimmende Moment“ der Geschichte sei, aber sehr wohl das „in letzter Instanz bestimmende Moment“4. Das ist sehr richtig! Das ändert die Bedeutung der Ökonomik aber nicht im geringsten, sondern weist daraufhin, dass es natürlich noch andere Faktoren gibt, die Ökonomik nicht der einzige Faktor ist, sondern der bestimmende Faktor.

Natürlich ist es einfacher, sich über weltfremde Nebenthemen auszulassen, wie LGBT oder das Gendern. Damit ist der Lebenshaltung der Masse des Volkes nicht geholfen, welche vor allem in der derzeitigen Lage die Köpfe der Menschen beschäftigt. Die Linkspartei, die jahrelang immer mehr in Identitätspolitik abgeglitten ist, hat in der Bundestagswahl wieder 8,8% errungen. Worauf lag der Fokus im Wahlkampf? Auf ökonomischen Themen! Das zieht, nicht irgendwelche Modethemen, die seit dem Kurswechsel in den USA massiv an Bedeutung verloren haben.

Es ist notwendig, zu vermitteln, wie kapitalistische Ausbeutung funktioniert. Das Werk „Lohn, Preis und Profit“ von Karl Marx ist der kürzestmögliche Einstieg in diese Thematik. Der Inhalt dieses Werks sollte vor allem von jungen Genossen gründlich studiert werden, damit sie verstehen, auf was der Kapitalismus fußt. Damit würde man das Theoriestudium bei der Wurzel beginnen, statt irgendwo mittendrin. Vielleicht würden unsere Gedanken dann auch etwas mehr nach außen erkennbare Struktur erhalten. Bei der Propagierung unserer Ideen wäre das jedenfalls sehr von Nutzen.

2 Marx an Engels (2. April 1851) In: Karl Marx/Friedrich Engels „Werke“, Bd. 27, Dietz Verlag, Berlin 1963, S. 228.

3 Friedrich Engels „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft“ In: Ebenda, Bd. 20, Dietz Verlag, Berlin 1975, S. 248/249.

4 Vgl. Engels an Joseph Bloch (21. September 1890) In: Ebenda, Bd. 37, Dietz Verlag, Berlin 1967, S. 463.

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