„Uganda ist ein typisches afrikanisches Land“

Liebe Leser, im Folgenden bieten wir ein Interview von Genosse Henrique Pousão mit Genosse Wubulixi dar.

Du warst bereits zum dritten Mal in Uganda und hattest die Möglichkeit, das Land in all seinen Facetten zu erleben. Auf deinen Reisen hast du nicht nur die landschaftliche Schönheit und kulturelle Vielfalt des Landes entdeckt, sondern auch tiefe Einblicke in das Leben der Menschen vor Ort erhalten. Sicherlich bist du dabei vielen inspirierenden Persönlichkeiten begegnet und hast verschiedene Schicksale miterlebt. Was konntest du diesmal aus deiner Reise mitnehmen? Welche Erfahrungen haben dich besonders geprägt? Ich freue mich darauf, dir dazu ein paar Fragen stellen zu dürfen.

Alles klar, legen wir los.

Wie würdest du Chinas oder Indiens Rolle in Uganda beschreiben?

Chinesische Firmen dominieren die ugandische Wirtschaft. China ist die imperialistische Macht, in deren Abhängigkeit der ugandische Staat geraten ist – durch Investitionen, Verschuldung und auch politische Verbindungen. Auch indische Firmen sind in Uganda aktiv, aber viele von diesen gehören Uganda-Indern. Es gibt aber auch indische Großkonzerne wie Airtel, die auf dem ugandischen Markt eine dominante Stellung einnehmen. Viele Genossen mögen Indien noch immer als ein halb-feudales und halb-koloniales Land sehen, aber längst ist Indien zu einer imperialistischen Großmacht geworden, trotz der Rückständigkeit, die mit dem zaristischen Russland vage zu vergleichen wäre. Ein indischer Genosse hat diese Frage vor einigen Monaten zutrefflich analysiert1.

Gibt es einen proaktiven Rassismus von Chinesen und Indern gegenüber Ugandern?

Ja. Viele indische Unternehmer behandeln die ugandischen Angestellten nicht gut, sie schauen auf sie herab und brüllen sie an. Es ist aber auch zu betonen, dass ugandische Unternehmer auch ihre Angestellten misshandeln und oft um ihren Lohn betrügen. In der Bibel heißt es: Es soll des Tagelöhners Lohn nicht bei dir bleiben bis zum Morgen.“2 In der Hinsicht ist es egal, ob der ugandische Unternehmer formell Christ oder Moslem ist – sie handeln nach der nackten Logik der Profitmaximierung. Nicht mal der versprochene Lohn wird einem garantiert ausgezahlt.

Chinesen mögen generell Schwarze nicht. Das ist keine neuere Entwicklung, denn schon der Botschafter des Kaiserreich China 1296/1297 in Kambodscha, Zhou Daguan, beschrieb die Kambodschaner aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe als „hässlich und tief sonnengebräunt“3. In Ostasien entspricht dunkle Haut generell nicht dem Schönheitsideal, weshalb sich auch Koreaner, Japaner und Vietnamesen so gut wie möglich vor der Sonneneinstrahlung schützen, damit ihre Haut so weiß wie möglich bleibt.

Es gibt aber nicht nur Negativbeispiele. Es gibt Inder, die in Uganda zum Beispiel Kinderheime betreiben oder eine soziale Ader besitzen. Ein indischer Sportgeschäftinhaber in Jinja gab uns zum Beispiel noch extra Spielsachen zu unserem Einkauf hinzu, als wir ihm sagten, dass diese für Bauernkinder auf dem Dorf sind. Eine Musoga4 aus der Familie vom Dorf war darüber verblüfft, dass es auch gute Inder gibt. Mir ist auch bekannt, dass es von Chinesen Förderprojekte in Uganda gibt. Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel, aber diese Ausnahmen gehören eben zum Gesamtbild und zeigen, dass auch ein anderer Umgang möglich wäre. Rassengrenzen sind keine natürlichen Hindernisse.

Wie steht die Regierungspartei dazu?

Die NRM, die Uganda seit 1986 regiert, ist für das indische und chinesische Kapital. Ugandisch-indische Kapitalisten haben Kontakte bis in die höchsten Ränge der NRM, bis zum Präsidenten, und das chinesische Kapital fließt auf ausdrücklicher Einladung des Präsidenten ins Land.

Bemühungen der Anerkennung der Inder als ein „Stamm Ugandas“ wurden aber bisher nicht nachgegeben5. Vermutlich fürchtet die NRM, dass sich sonst die schwarzafrikanische Bevölkerung über einen derartigen Schritt aufregen könnte. Inder erfreuen sich schließlich nicht sonderlich großer Beliebtheit unter den Ugandern.

Gibt es viele Briten in Uganda aufgrund der Vergangenheit der Kolonialzeit?

Nein, die machen einen verschwindend geringen Teil an der Bevölkerung aus. Primär die Inder sind geblieben.

Gibt es amerikanische Basen in Uganda?

Einfache Antwort: Nein.

Wie wird Europa und die USA betrachtet von den Ugandern?

Es herrscht eine große Überidealisierung vor unter vielen. Die Ugander malen sich den Westen als ein regelrechtes Paradies ohne soziale Probleme aus, in dem jeder ein Millionär mit Sportwagen wäre. Man muss den Ugandern erklären, dass dies und viele andere Vorstellungen nicht der Realität entsprechen. So auch der Glaube, dass auf dem Oktoberfest in München das Bier kostenlos wäre. Die Ugander haben eben viele Vorurteile, die man ausräumen muss. Das ist normal.

Gehen Inder und Ugander in die selben Schulen?

Das kann ich nicht generell beurteilen, weil die Inder eine sehr urban lebende Minderheit in Uganda sind und ich mich entweder in Slums oder auf dem Lande aufgehalten habe. Mir ist aber bekannt, dass in einem Slum von Kampala ein taubes indisches Mädchen auf eine Schule der anglikanischen Kirche ging mit den ugandischen Schülern. Sie ist aber mittlerweile mit ihrem Vater nach Großbritannien gezogen.

Ist die Kirche dort ein großer Sozialleister für die Bürger, mehr als die Regierung?

Ja, den Kirchen gehören viele Schulen, Krankenhäuser, Berufsschulen und sonstige soziale Einrichtungen. Der ugandische Staat kümmert sich vielerorts nicht um die gesetzlich festgeschriebene Grundversorgung sozialer Dienste. Deshalb boomen nicht nur Kirchen als Ersatzsozialleister, sondern auch komplett private Anbieter.

Die Kirche ist ein großer Sozialträger in Afrika im Allgemeinen und daher auch in Uganda im Speziellen. Würdest du sagen die Menschen haben ein größeres Vertrauen in die Kirche bzw. Gott als in die Regierung?

Ja, das kann man so sagen. Generell sind die Ugander sehr gläubige Menschen. Vielleicht muss man auch gläubig sein, um deren hartes Leben ertragen zu können, so als ein starker Resilienzfaktor. Aber man muss auch sagen, dass die Kirchen nicht gerade regierungskritisch sind. Als ich in einer anglikanischen Kirche im Gottesdienst war, wurde zum Abschluss für die Regierung und den amtierenden Präsidenten Museveni gebetet. Die Kirchen sind ein Teil des politischen Systems, das ist in Uganda nicht anders als in Deutschland.

Wie würdest du die NRM bewerten?

Die NRM ist letztlich durch und durch eine kapitalistische Partei. Sie mag sich zwar als „sozialdemokratische Befreiungsbewegung“6 bezeichnen, aber ihr Kurs zeichnete sich vor allem durch Neoliberalismus aus, wie man an den Privatisierungen der 90er Jahre vor allem erkennen konnte und an der grassierenden Korruption von Regierungsbeamten. Letztendlich vertritt die NRM die Interessen einer pro-chinesischen und pro-indischen Kompradorenbourgeoisie.

Russlands Einfluss in Afrika wächst immer stärker. Kann man dies auch in Uganda sehen?

Museveni lehnte es ab, sich an Russlandsanktionen zu beteiligen und die NRM besitzt offizielle zwischenparteiliche Beziehungen zu Einiges Russland. Abgesehen davon lässt sich aber kaum russischer Einfluss in Uganda ausfindig machen.

Denkst du der chinesische Einfluss hat den amerikanischen in Uganda verdrängt, so wie allmählich im restlichen Afrika, oder waren die Amerikaner nie wirklich präsent in Uganda?

Dem ist so. Anfangs wurde Musevenis Regierung vor allem aus den USA unterstützt und auch noch westliche Bücher aus den 90er Jahren beschreiben Museveni in lobenden Worten. Seit den frühen 2000ern geschah aber der Umschwenk von den USA zu China als Hauptgeldgeber und Bündnispartner. Amerikanische Firmen sind noch immer aktiv in Uganda – Coca Cola und Pepsi haben den Getränkemark stark unter monopolistischer Kontrolle, aber abgesehen davon herrschen vor allem chinesische Firmen vor. Museveni selbst sagte im Dezember 2021, dass westliche Firmen das Interesse an Uganda verloren hätten und nun China an deren Stelle trete7. Besser lässt sich das eigentlich nicht zusammenfassen.

Yoweri Museveni wird oft als konservativer Christ dargestellt, der Homosexuelle hasst. Würdest du sagen, dass Uganda und deren Bevölkerung konservativ ist und das auch legitim ist unter den Selbstbestimmungsrecht der Völker?

Ja, dem ist so. Es dürfte vielen das 2016 mit CNN geführte Interview von Museveni bekannt sein, in welchem er auf die Frage „Mögen Sie Homosexuelle persönlich nicht?“ antwortete: „Natürlich, die sind widerwärtig!“8 Bekannt ist auch das sogenannte „Anti-LGBT-Gesetz“, welches das ugandische Parlament im vergangenen Jahr beschlossen hat. Die NRM mag bei der breiten Bevölkerung verhasst sein, aber dieses Gesetz kann sich garantiert auf die absolute Mehrheit des ugandischen Volkes stützen und steht auch in Afrika nicht allein da. Die Bevölkerung ist konservativ im Sinne des Glaubens, aber nicht unbedingt konservativ im Sinne, dass sie gegen sozialen Fortschritt wären. Letztlich ist das die Sache des ugandischen Volkes, wie diese Frage in Uganda behandelt wird. Wozu sollten wir woken Werteimperialismus unterstützen? Die afrikanischen Staaten maßen sich auch nicht an, anderen Ländern ihre Werte aufzudrängen.

Wie wird Yoweri Museveni allgemein bewertet? Gibt es Korruptionsvorwürfe gegen ihn oder ähnliches?

Ehrlich gesagt kenne ich keinen einzigen Ugander, der ihn leiden kann. Alle werfen seiner Regierung Korruption vor. Sogar Museveni selbst gibt die Existenz von Korruption im Land zu, bestreitet sie aber für sich selbst. Museveni sagt über sich selbst: „Ich möchte nicht, dass jemand sagt, ich sei reich, weil mir geholfen worden sei. Niemals. Ich bin reich, weil ich hart gearbeitet habe.“9 Tatsache ist aber, dass er in der Periode seiner Präsidentschaft zu Geld gekommen ist. Wer 1 und 1 zusammenzählen kann, der weiß, woher das Geld stammt…

Wie steht die Bevölkerung zu der politischen Opposition und denkst du diese Opposition kann echte Veränderung bringen?

Mit der Opposition ist in Uganda in der Regel die NUP um Bobi Wine gemeint. Nun, die Mehrheit der jungen Ugander mag Bobi Wine, schließlich war er vor seiner Politikerkarriere ein landesweit bekannter Musiker und spricht entsprechend vor allem Jugendliche und junge Erwachsene an. Bei der Präsidentschaftswahl wurde Museveni vorgeworfen, dass er die Wahl gefälscht habe und Bobi Wine der eigentliche Sieger sei.

Es gibt auch auch kritische Stimmen aus oppositionellen Kreisen über ihn, wenn sie auch in der Minderheit sind. Auffällig sind seine häufigen Reisen in den Westen, vor allem in die USA, und auch, dass er bei Besuchen in der EU seine Unterstützung für LGBT beteuert, aber in Uganda selbst dieses Thema so gut wie möglich vermeidet. Auch seine Partei behauptet, wie die NRM eben auch, sozialdemokratisch10 zu sein. Das einzig Sichere ist, dass seine Partei pro-westlich gesinnt ist.

Gibt es in Uganda irgendeine marxistisch-leninistische Organisation oder Gruppierung?

Diese Frage habe ich in den vergangenen zwei Jahren oft bekommen in verschiedenen Formen. Die Antwort lautet noch immer: Nein. Die einzige sozialistische Partei, die Uganda je hatte, war die UPC11 und diese Partei war nie offiziell marxistisch. Vielleicht bildet sich ja irgendwann eine Kommunistische Partei Ugandas heraus, schließlich hat Kenia seit Dezember 2019 eine Kommunistische Partei und hatte davor auch noch nie eine gehabt.

Welchen Einfluss hat die CPK12 in Uganda?

Die Kommunistische Partei Kenia ist in Uganda weitestgehend unbekannt, selbst unter sozialistisch gesinnten Leuten. Die typische Reaktion darauf ist: „Ich wusste gar nicht, dass Kenia eine kommunistische Partei hat. Seit wann gibt es die?“ Die Ugander wissen also nicht einmal, was in ihrem Nachbarland für Veränderungen in der Parteienlandschaft geschehen.

Gibt es viele antikommunistische Vorurteile in Uganda?

Nein, denn die meisten Ugander sind sich kaum darüber bewusst, was Sozialismus und Kommunismus überhaupt sind. Deren Bildungsniveau ist zumeist gering, weshalb sie sich auch nicht tiefgründig mit der Geschichte befasst haben. Milton Obote, der erste ugandische Präsident, war das, was dem Sozialismus an nächsten kam, was das ugandische Volk überhaupt erlebt hat.

Worauf sollten die ugandischen Genossen ihren Fokus legen, wenn sie beginnen würden in Uganda ihre Arbeit in die Hand zu nehmen?

Vor allem auf die Organisation der Arbeiter und Bauern. Es gibt Gewerkschaften und Genossenschaftsverbände, sie sind aber relativ klein. Das ugandische Proletariat besteht aus proletarisierten Bauern, die so unorganisiert sind wie die chinesischen Wanderarbeiter nach der Dekollektivierung durch Dengs Politik. Die Bauernschaft ist zersplittert und wirtschaftlich schwach, besitzt aber zusammengeschlossen in Genossenschaften wirtschaftliches Potenzial, das man entfalten könnte. Dabei könnten sich ugandische Genossen profilieren.

Sind die Bauern offen für Genossenschaften?

Die Bauernschaft, die ich erleben durfte, war der Idee der Genossenschaften gegenüber aufgeschlossen. Die Familie unseres Fahrers ist auch eine Bauernfamilie und durch die erfolgte Genossenschaftsgründung bei Kamuli kam Anregung dazu, vielleicht es ihnen gleichzutun in ihrem Heimatdorf.

Wären die „Worte des Vorsitzenden Mao Tsetung“ oder allgemein Mao Schriften für die Genossen dort hilfreich?

Sehr hilfreich sogar! Die Lage in Uganda ist der von China im Jahre 1949 nicht so unglaublich unähnlich. An der Küste China waren die industrialisierten Städte, je weiter man ins Inland ging, umso weniger industrialisiert und umso unterentwickelter war das Land. In Uganda ist der Zustand ähnlich, nur dass man in diesem Fall vom Ufer des Victoriasees ausgehen muss. Maos Werke dürften den ugandischen Genossen eine gute theoretische Grundlage liefern darüber, was zu tun ist in ihrem Land. Nicht umsonst hat Kenneth Kaunda in Sambia, obwohl er kein Marxist war, Maos China als Vorbild angesehen; nicht umsonst hat der ugandische Präsident Yoweri Museveni sich Maos militärische Werke zu Gemüte geführt. Die Bedingungen sind passend.

Will die Jugend auswandern nach Europa oder eher bleiben und was macht die Regierung um sie zum Bleiben zu bringen?

Die Regierung muss nicht viel tun, damit sie bleiben. Die westlichen Staaten machen legale Immigration durch bürokratische Hürden fast unmöglich. Wenn, dann wandern relativ viele nach Saudi-Arabien aus zum Arbeiten oder erhoffen sich, dass sie vor allem nach Kanada auswandern können. Der Auswanderungswille ist hoch, die Möglichkeit jedoch gering.

Wie können europäische Genossen am besten den Ugandern helfen, um langfristige Veränderungen zu gewährleisten, die eventuell nicht dort hin reisen können? Man spricht schnell von Spenden, jedoch landen die Gelder oft bei korrupten Beamten oder bei kirchlichen Institutionen, die die Symptome bekämpfen, aber die Krankheit selbst nicht.

Es kommt darauf an, welche Veränderungen man anstrebt. Wer sich davon die Revolution erhofft, der kann das Portmonee direkt wieder wegpacken. Es gibt vertrauenswürdige Organisationen, die die Gelder nicht verschwenden. Ich kann zwei nennen, die ich bereits besucht habe: Kampala View und Vision for Africa. Ersteres ist ein relativ kleines Schulprojekt in einem Slum von Kampala, Letzteres eine christliche Hilfsorganisation mit vielen Standorten in Uganda, geführt von Maria Prean. Wenn es nur darum geht, den Menschen zu helfen, dann kann man diesen Organisationen Geld überweisen, vor allem Kampala View kämpft aufgrund der geringen Organisationsgröße damit, das Projekt finanziell zu stemmen.

Wie würdest du die Bevölkerung in Uganda beschreiben in den Dörfern und den Städten?

In den Städten orientieren sich die Menschen viel offensichtlicher an westlichen Vorbildern, vor allem an amerikanischen. Festivals kopieren oft den Geschmack aus den USA, indem viel in weiß gehalten wird, etwa bei Hochzeiten, und auch die Künstlichkeit der Torten. Es gibt sogar einen in Kampala ansässigen Online-Sexshop13. Es kommt auch darauf an, in welcher Stadt man sich befindet. Generell gibt es in Städten immerhin fließendes Wasser und Stromanschluss, wenn auch das Wasser nicht unbedingt Trinkwasserqualität hat und die Stromausfälle in den vergangenen Jahren wieder zugenommen haben.

Auf dem Lande herrscht eher das traditionelle Leben vor. Viele Dörfer haben nicht einmal Stromanschluss – fließendes Wasser gibt es dort sowieso nicht. Die Bevölkerung dort ist in Geldwerten besonders arm, aber sie sind noch überwiegend Selbstversorger, abgesehen von einigen Küchenutensilien, Handys, einem Fernseher und sonstige Haushaltswaren. Zwischen den Dörfern gibt es auch ein großes Gefälle: So sind manche beispielsweise derart abgelegen, dass sie nicht einmal Warenproduktion betreiben.

Was hat dich am meisten in Uganda beeindruckt und was an den Ugandern selbst?

Gesellschaftspolitisch beeindruckend ist, sie als angeblich „Betroffene“ Identitätspolitik und politische Korrektheit ablehnen und sich auf die wesentlichen Probleme im Leben konzentrieren und nach Wegen suchen, trotz des massiven Elends im Land voranzuschreiten. Ugander sind in der Hinsicht hart arbeitende Stehaufmännchen, auch wenn ihre Arbeitszeit aufgrund der oft exorbitant ausgeweiteten Dauer nicht den Anschein erwecken lässt.

Politisch beeindruckend ist auch, dass die meisten Ugander sehr antiimperialistisch eingestellt sind. Ihnen mag es an Bildung mangeln, aber sie erkennen, dass die imperialistischen Mächte sie ausbeuten.

Wirtschaftlich beeindruckend ist, dass die Ugander sehr wenig besitzen im Vergleich zu uns in den industriell hochentwickelten Ländern und sie dennoch oft glücklicher sind als wir, weil sie mehr sozialen Umgang haben. Die Menschen sind sehr geerdet und das ist erfrischend zu erleben.

Wie bewertest du den Anstieg in Europa, dass immer mehr rechtspopulistische Parteien Migranten in ihre Heimatländer schicken möchte und wie wird es von den Ugandern gesehen und wie von dir?

In Uganda ist das alles kein Thema. Die Leute bekommen davon nichts mit. Die Medien berichten auch nicht darüber. Außerhalb Europas interessiert sich die Welt nur mäßig für unsere internen Debatten. Wir sind nicht der Nabel der Welt, sondern lediglich eine Provinz auf dem Globus.

Nun zu meiner persönlichen Meinung: Es geht dabei primär um muslimische Flüchtlinge, nicht Migranten. Die gerichtliche Entscheidung, Syrer abschieben zu dürfen, da der Bürgerkrieg in Syrien praktisch vorbei ist14, ist richtig. Flucht und Migration sind nicht identisch. Der Asylstatus war nie dafür gedacht, als Status dauerhafter Migration zu gelten, sondern lediglich als Schutzstatus vor einer Gefahrensituation im Herkunftsland. Auch die Tatsache, dass tausende afghanische Flüchtlinge in Deutschland in Afghanistan unter den Taliban Urlaub machen15, zeigt, wie deren Flüchtlingsstatus mittlerweile zum Absurdum geworden ist. Der Flüchtlingsstatus ist praktisch zu einem Mittel geworden, illegale Migration zu legalisieren, während legale Migration fast unmöglich gemacht wird. Das ist ein lächerlicher Zustand. Wenn jemand, der in Uganda als Klempner ausgebildet worden ist, nach Deutschland kommen will zum Arbeiten, so werden ihm faktisch unmögliche bürokratische Hürden in den Weg gelegt. Sei diese Berufsgruppe auch noch so gesucht, dort wird bürokratisch massivst gegängelt. Kommt man als illegaler Migrant und bekommt das Asylgesuch sogar abgelehnt, wird man oft trotzdem nicht abgeschoben und bekommt Duldungsstatus. Letztlich endet das immer wieder mit Taten, wie zuletzt in Solingen16. Genosse Belisarius, selbst ein Exmuslim, hat recht: Wir müssen endlich aufwachen17!

Was erhoffen sich die „Links“liberalen in Deutschland davon, sich schützend vor islamistische Flüchtlinge zu stellen? Die Basoga haben ein Märchen, in welchem eine Frau eine Hyäne vor den Jägern versteckt. Statt Dankbarkeit zu zeigen, frisst die Hyäne am Ende die Frau, nachdem die Jäger gegangen waren18. Diese „Links“liberalen verhalten sich wie diese Frau, schützen ein Raubtier vor dem Jäger, und realisieren nicht die Gefahr für sich selbst.

Ich bin nicht gegen jegliche Form der Migration, aber sehr wohl dafür, dass man dieser einen legalen Rahmen gibt und aufhört, Islamismus unter den Teppich zu kehren. Vielleicht täte uns mehr Migration aus Schwarzafrika ganz gut.

In immer mehr Ländern Afrikas Vorfälle in Subsahara-Afrika mehren sich die Aufstände der Jugend und jungen Erwachsenen, da Afrika im Schnitt die jüngste Bevölkerung hat. Ist es ein Potential zur möglichen Revolution? Wie stehen die Menschen in Uganda zu den Aufstände in Kenia oder die Veränderungen in Burkina Faso, Niger, Mali etc.?

Die Militärputsche in Burkina Faso, Niger und Mali wurden von außenpolitisch Interessierten freudig aufgefasst, weil die Leute sich erhoffen, dass diese Länder sich vom Imperialismus lossagen. Die Reduktion der Regierungsgehälter durch Traoré in Burkina Faso19 und seine Thomas-Sankara-Symbolik haben Eindruck hinterlassen genauso wie seine Kritik am Imperialismus und Neokolonialismus im vergangenen Jahr20. Aber direkten Einfluss auf Uganda hat das nicht, denn für die meisten ist Westafrika weit weg. Das ist für die Ugander so weit weg wie für uns Portugal. Man bekommt zwar die Nachrichten mit, aber sie haben keine unmittelbare Wirkung.

Anders sieht es aus bei den erwähnten Aufständen gegen die Regierung Ruto. In Uganda gibt es seit April diesen Jahres immer wieder Streikwellen im Einzelhandel gegen die massiven Steuererhöhungen der Regierung. Diese wurden aber von der Regierung niedergeschlagen. Aus diesem Grund befinden sich in der Innenstadt von Kampala Mannschaftswagen der Polizei, die Polizei kampiert in Zelten im Stadtpark am Denkmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs, Beamte in Zivilkleidung bespitzeln die Leute und die Militärpolizei patrouilliert auf dem Owino-Markt. Ein Einheimischer sagte zu mir: „Die Ugander dachten, sie könnten wie in Kenia auf die Barrikaden gehen, haben aber die Rechnung nicht damit gemacht, dass Uganda ein Militärregime mit etwas demokratischem Anstrich ist.“ Die Leute sind unzufrieden, haben aber Angst davor, dass die ugandische Regierung ein Massaker anrichten könnte, um die Unruhen zu unterdrücken. Deshalb bleiben die Leute vorsichtig. Das Potenzial ist also da, aber die Leute glauben nicht an einen Erfolg.

Gibt es in Uganda islamischen Terrorismus und ist er eine große Sache?

Ja, es gibt ihn. Die ADF21 sind eine islamistische Terrororganisation, die in den Ostkongo vertrieben worden ist und von dort aus in ugandisches Gebiet hinein operiert. Am 16. Juni 2023 zum Beispiel massakrierten diese Islamisten in einem Grenzort zum Kongo ein ganzes Internat22 und am 17. Oktober 2023 töteten die ADF zwei britische Touristen samt Guide im Queen-Elizabeth-Nationalpark in Westuganda23. Dieser Nationalpark befindet sich ebenfalls in unmittelbarer Grenznähe zum Kongo. Das sind Vorfälle der letzten Monate. Im November 2021 führten die ADF in der Innenstadt von Kampala eine Attacke mit Selbstmordattentätern in PKWs durch24. Die ADF sind also durchaus in der Lage auch außerhalb der Grenzregion Schaden anzurichten.

Wird Idi Amin noch stark von den Muslimen idealisiert? Und denkst du das seine Regentschaft genügend aufgearbeitet wurde in Uganda?

Ja, Muslime sehen Idi Amin positiv und idealisieren seine Herrschaft oftmals, wobei manche zugeben, dass er ein Diktator gewesen ist. Dennoch rechtfertigen sie seine faschistischen Taten. Die offizielle Sicht auf Idi Amin ist negativ und sein Regime wird als faschistische Diktatur charakterisiert – in diesem Punkt waren sich Obote und Museveni stets einig. Es wird aber zu wenig getan, um die Massen über Idi Amins katastrophale Wirtschaftspolitik zum Beispiel aufzuklären. Viele mögen ihn für zwei Dinge: Er setzte auf Korruption die Todesstrafe und er vertrieb die Inder. Die Ugander, die ihn mögen, denken nur in Schlagworten, nicht in einem historischen Gesamtkontext. Da sind wir nämlich wieder bei der geringen Bildung.

Wie viele Inder sind geflüchtet wegen Idi Amin und sind alle danach wieder gekommen nach seiner Flucht?

Idi Amin hat sie vertrieben, sie sind nicht einmal geflohen. Alle, die ihren britischen Pass nicht widerriefen, wurden abgeschoben. Das waren fast alle Inder. Es sind zwar nicht alle zurückgekehrt, aber auf jeden Fall diejenigen, die zuvor in Uganda Firmen besaßen. Die Inder bekamen diese zurück.

Wird Milton Obote von der Bevölkerung gemocht oder eher kritisch betrachtet?

Es kommt darauf an, mit wem man redet. Ein hartgesottener Idi-Amin-Fan wird nicht viel für Obote übrig haben. Generell hat Obote aber den Ruf, unkorrumpierbar gewesen zu sein und eine Vision für Uganda gehabt zu haben. Bei den Baganda hat er aber den Ruf, die Stammeskönigreiche aus Hass auf das Volk der Baganda aufgelöst zu haben. Das ist eine lächerliche Behauptung, die aus der feudal-tribalistischen Propaganda der Royalisten herrührte. Leider sind Gerüchte aufgrund des niedrigen Bildungsstands und des Mangels an erschwinglicher Literatur die wohl wichtigste „Quelle“ der Meinungsbildung der Ugander. So etwas kennt man in Deutschland nur vom Dorfklatsch alter Omas. Letztlich ist die ugandische Bevölkerung auf einem Entwicklungsstand der Generation unserer Großeltern.

Was hat Milton Obote für die Bevölkerung in Uganda geleistet und wird dies von den Ugandern anerkannt?

Obote hat viel Industrie verstaatlicht, sich um die Gründung von Genossenschaften gekümmert und 1969 offiziell den Aufbau des Sozialismus in Uganda verkündet. Die staatliche Industrie und die Vergenossenschaftlichung ist den Menschen im Kopf geblieben, da die Industrie in den 90ern unter Museveni privatisiert worden ist und die Genossenschaften weitgehend zerschlagen wurden. Aber den meisten scheinen die Details unbekannt zu sein. Auch Obotes Common Man´s Charter von 1969 ist vielen nur vom Hörensagen bekannt. Den tatsächlichen Inhalt kennen sie nicht.

Würdest du sagen, dass Uganda auf dem selben wirtschaftlichen und technologischen Niveau wie Osteuropa oder der Balkan ist?

Das kann man vielleicht von der Stadt Jinja behaupten, aber nicht für Uganda insgesamt. Uganda ist in der wirtschaftlichen Entwicklung weit zurück, es ist überwiegend ein Agrarland mit einigen bedeutsamen Industriestädten. Kurzum: Ein Industrie-Agrarland. Uganda ist vom Technologieeinsatz weit zurück, vor allem in der Landwirtschaft, die im Regelfall noch händisch erfolgt, außer in Großfarmen im Süden des Landes, die Traktoren besitzen. Uganda ist eher im afrikanischen Mittelfeld, ein typisches afrikanisches Land.

Du warst schon drei Male in Uganda. Hast du schon mal überlegt dort für eine Weile zu arbeiten und wie ist deine Beziehung zu Schwarzafrika vor allem zu Uganda?

Ich hätte persönlich keine Probleme dort für eine Weile zu arbeiten, die Sache ist eher: Wer soll das finanzieren? Wenn ich ein Schreiben, sagen wir vom Ministerium für Tourismus, bekommen würde, dass man mich als Berater haben wollen würde, dann würde ich ohne lange zu überlegen kommen. Ich bezweifle nur, dass dieser Tag kommen wird.

Was Schwarzafrika generell betrifft, so muss ich sagen, dass die Reisen nach Uganda aus diesem nur aus medialen Katastrophenmeldungen bekannten Flecken Erde, der weit weg liegt, einen Ort gemacht haben, der mir innerlich nahe ist. Es wäre übertrieben zu sagen, dass sich Uganda für mich wie eine zweite Heimat anfühlen würde, aber durch die ganzen Kontakte, die ich dort geknüpft habe und diese sozialen Bande fühlt es sich auf jeden Fall nach dem Zuhause von guten Freunden an.

Und wird es dich dorthin ein viertes mal verschlagen für neue Abenteuer?

Auf jeden Fall, wenn das meine persönliche und berufliche Situation weiterhin zulässt.

2 3. Mose 13, 19.

3 Chou Ta-Kuan „Sitten in Kambodscha“, Angkor Verlag, Frankfurt am Main 2006, S. 21.

4 Die Soga sind ein Stamm in Ostuganda. Musoga ist die Singular- und Basoga die Pluralform.

11 Uganda People´s Congress

12 Communist Party of Kenya

18 Vgl. „The Woman and the Hyena“ In: „Mwidhe Tufume“, Cultural Research Centre, Jinja 2012, S. 56 ff, Englisch

21 Allied Democratic Forces

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