Über den Georgismus – Bezüglich des Privateigentums des Grund und Bodens

Privateigentum an Land ist falsch.“1 – Henry George

Der Georgismus besitzt in Deutschland kaum eine Bekanntheit. Dabei liegen die Ursprünge des allseits bekannten Gesellschaftsspiels „Monopoly“ in einem Spiel namens „The Landlord´s Game“, welches von der Georgistin Elizabeth Magie Phillips im Jahre 1904 geschaffen worden ist2. Das Spiel war als Gesellschaftskritik gedacht an einer Monopolisierung des Grund und Bodens (daher auch der spätere Name „Monopoly“ für den Nachfolger).

Die Bodenrente – sei es in der Landwirtschaft oder bei der Extraktion von Bodenschätzen – bezieht sich auf die Produktivität des Bodens. Der Grundeigentümer verlangt entsprechend einen Mietpreis, der sich in einem gewissen Maße an der zu erwartenden Produktion orientiert3. Der Grundeigentümer spielt keine produktive Rolle. Das betrifft den produktiven Sektor.

Auf dem Wohnungsmarkt zeigt sich dies aber auch. Marx war sich durchaus auch der Problematik des Grundbesitzes auch auf die Stadtbevölkerung bewusst: Ein Teil der Gesellschaft verlangt hier von den andern einen Tribut für das Recht, die Erde bewohnen zu dürfen, wie überhaupt im Grundeigentum das Recht der Eigentümer eingeschlossen ist, den Erdkörper, die Eingeweide der Erde, die Luft und damit die Erhaltung und Entwicklung des Lebens zu exploitieren.“4 Es gibt einen Unterschied zwischen der Amortisation und des Zinses für das in einem Mietshaus enthaltenen Kapitals und der Rente, die sich in der Hausmiete widerspiegelt5. Das heißt, dass die Mieten nicht unbedingt so hoch sind, weil die Bausubstanz dies hergeben würde, sondern aufgrund des darunterliegenden Bodens.

Lenin schrieb: Die radikale Bourgeoisie, d. h. jene, die die bürgerliche Revolution bis zu Ende durchführt, stellt die Losung der Nationalisierung des Bodens auf.“6 Natürlich vereinfacht die Nationalisierung von Grund und Boden auch den Übergang zum Sozialismus in der Landwirtschaft7, aber diese selbst hat mit dem Sozialismus noch nichts gemein. Die Landnutzung bleibt bei diesem Schritt allein noch immer überwiegend privat. Die Verstaatlichung von Grund und Boden verschafft gleiche Zugangsmöglichkeiten zum Land.

George selbst erkannte an, wie im vorangestellten Zitat aufgezeigt, dass das Privateigentum an Grund und Boden von ihm als „falsch“ angesehen worden ist. Das bedeutet nicht, dass er es tatsächlich aufheben wollte. Er war lediglich dafür, die Einnahmen durch Grund und Boden so sehr zu besteuern, dass von ihnen nicht mehr viel für den Grundbesitzer übrigbleiben sollte8. Diese Steuer sollte sogar die einzige verbleibende Steuer bleiben9.

George lehnte es ab, Monopole zu besteuern, weil diese die Steuern an die Öffentlichkeit weitergeben würden10. Das ist prinzipiell richtig, aber zugleich auch eine Kapitulationserklärung vor dem Großkapital. Statt Monopolkonzerne in Frage zu stellen – so wie George es im Falle des Landbesitzes macht – lässt er sie gewähren. George ist also nicht konsequent.

George behauptet auch: Die Steuern auf die Produktion zu senken würde einer Steigerung der Produktivität gleichkommen.“11 Ein Kapitalist bekommt durch Steuersenkungen nicht unbedingt mehr Anreiz zu produzieren noch unbedingt durch höhere Steuern diesen Anreiz vermiest. Es ist ja nicht so, als würde die Produktion über einem gewissen Maße hinaus in einem kapitalistischen Staat so besteuert werden, dass die gesamten Einnahmen ab diesem Punkt faktisch enteignet werden würden. Man könnte sogar behaupten, dass Steuern einen Anreiz zu höherer Produktion schaffen würden, eben weil mehr Waren produziert werden müssen, um die selbe Menge an Profit zu erreichen. Georges Prämisse steht also auf wackligen Füßen. Die Realität zeigt auch, dass kapitalistische Unternehmen zwar versuchen, Steuern zu vermeiden, aber auch, dass diese nie ein Ausmaß hatten, welches die Produktion gehemmt hätte.

George schreibt außerdem: „Steuern, die die Belohnung der Produzenten reduzieren, verringern den Anreiz zu produzieren. Steuern, die auf einen der drei Produktionsfaktoren angewendet werden – Land, Arbeit oder Kapital – entmutigen unvermeidlich die Produktion. Solche Steuern führen künstliche Hürden für die Schaffung von Wohlstand ein.“12 Letztlich setzt George damit Arbeiter und Kapitalisten auf eine Stufe. Die harte Wahrheit ist aber, dass man aus Arbeit nicht reich wird. Schon Lorenz Stein stellte Jahrzehnte vor Georges fest, dass die Arbeiterklasse aus ihrer Arbeit nicht genug akkumulieren könnte, um der Besitzlosigkeit zu entkommen13.

Letztlich würde George den Kapitalisten völlig freien Lauf lassen und die Grundbesitzer faktisch ausschalten, ohne sie formell zu enteignen. Sein System ist nicht primär deshalb nicht vollständig durchdacht, weil die Grundbesitzer die Bodenrente erhöhen könnten – diese Einnahmen könnte man schließlich wiederum höher besteuern – sondern deshalb, weil die kapitalistischen Verhältnisse völlig unberührt bleiben. Die besteuerten Einnahmen der Grundbesitzer stammen letztlich noch immer von der Bourgeoisie und den Arbeitern (letztlich also nur von den Arbeitern). Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit besteht weiter, also der Klassenwiderspruch zwischen Proletariat und Bourgeoisie. George löst eines der Probleme, den die Ausbeutergesellschaften haben, auf halbherzige Weise und lässt das Kernproblem unangetastet. Der Georgismus mag mit seiner Kritik am Grundbesitz also einen Aspekt besitzen, der fortschrittlich ist, der gesamte Rest dieser Weltanschauung ist jedoch rückwärtsgewandt und besitzt in etwa den Tenor „Der Kapitalismus wäre perfekt, wenn es keinen Grundbesitz geben würde.“.

Aus marxistischer Sicht kommt also nur eine Nationalisierung von Grund und Boden in Frage in Verbindung mit der Enteignung der Großbourgeoisie. Ansonsten bekommt man die grundlegenden gesellschaftlichen Probleme nicht gelöst.

1 Henry George „Progress and Poverty“, Robert Schalkenbach Foundation, New York 2006, S. 184, Englisch.

3 Siehe: Karl Marx „Das Kapital“, Bd. III In: Karl Marx/Friedrich Engels „Werke“, Bd. 25, Dietz Verlag, Berlin 1970, S. 653 ff.

4 Karl Marx „Das Kapital“, Bd. III In: Karl Marx/Friedrich Engels „Werke“, Bd. 25, Dietz Verlag, Berlin 1970, S. 782.

5 Vgl. Ebenda.

6 „Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky“ (Oktober/November 1918) In: W. I. Lenin „Werke“, Bd. 28, Dietz Verlag, Berlin 1970, S. 314.

7 Vgl. Ebenda, S. 316.

8 Vgl. Henry George „Progress and Poverty“, Robert Schalkenbach Foundation, New York 2006, S. 224, Englisch.

9 Vgl. Ebenda, S. 225, Englisch.

10 Vgl. Ebenda, S. 228, Englisch.

11 Ebenda, S. 166, Englisch.

12 Ebenda, S. 227, Englisch.

13 Vgl. Lorenz Stein „Proletariat und Gesellschaft“, Wilhelm Fink Verlag, München 1971, S. 63.

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