Nico Jühe: Zum marxistischen Staatsbegriff
Wir übernehmen nachstehend einen Text von Nico Jühe via Facebook zum Thema marxistische Staatsauffassung. Vielen Dank mal wieder an Nico für seine Analysen.
Auch wenn ich hier ein paar “basics” wiederhole, aber ich muss auf diese noch einmal eingehen, da ich merke, dass viele offenbar dort in einem bestimmten Denkmuster gefangen sind:
Es wird häufig der Fehler gemacht, zwischen “öffentlicher Hand” und Privatiers (Markt) derart zu trennen, dass beide als zwei Prinzipien einander gegenüber gestellt werden. So wird gesagt, die öffentliche Hand wirtschafte per se nach Allgemeinwohl, der Markt nach Profit. Dementsprechend sei für Linke die Forderung klar, die öffentliche Hand zu stärken, auch gegen Privatisierungen zu schützen. Dabei ergibt sich häufig die Illusion, dass dort zwei Gegensätze einander entgegentreten.
1. Der Staat existiert nie unabhängig von den ökonomischen Verhältnissen in einer Gesellschaft, der Staat ist geboren aus der Notwendigkeit um herrschendes Klasseninteresse zum einen durchzusetzen, zum anderen um die zunehmende Entwicklung von Gesellschaft in einer Ordnung zusammenzufassen. Der Staat ist stets die Instanz des herrschenden Klasseninteresses.
2. Daraus wird klar, dass der Staat niemals in einem neutralen Verhältnis zur herrschenden Klasse seiner Zeit steht, wer herrscht bestimmt über die Ordnung, mit der er herrscht. Das ist die Aufgabe des Staates. Dieses verhältnis ist jede noch nicht monokausal: Der Staat gewährt die Ordnung, und auch der Staat kann sich zu einzelnen Elitenrägern feindlich verhalten, die diese Ordnung gefährden. Was er jedoch schützt, worauf alle Herrschaft sich letztlich stützt, ist die Verfügungsgewalt über die Reichtümer einer Gesellschaft, also die Produktionsmittel.
3. Die Unterscheidung von Staat als Gewähr des Öffentlichen gegen das Privatinteresse (in der bürgerlichen Gesellschaft), als zwei Prinzipien, ist zutiefst neoliberale Ideologie. Friedman, Hayek und Andere unterscheiden zwischen dem Staat als Zwang und dem Markt als Assoziation der freien Individuen. Der Markt wird als die natürliche Rolle des Menschen formuliert, Es wird der Staat (Plan) und der Markt (Kreativität, Freiheit) unterschieden. So wird letztlich die gesamte Geschichte der Menschheit beschrieben: Das freie Individuum, dass die Fesseln der staatlichen Bevormundung in jeder Epoche durchbricht, dadurch käme es in der Menschheitsgeschichte stets zu Fortschritt. Die Ironie daran ist, wenn auch nur als Anmerkung gedacht, dass alle Kaiser und Könige der Geschichte Sozialisten waren.
4. Worauf ich hinaus möchte, ist, dass die Argumentation genauso falsch bleibt, wenn die zugunsten des Staates gewendet wird. Der Staat schon deshalb, weil er Staat ist, klassengebunden, er ist die Herrschaft in einer bestimmten ökonomischen Gesellschaftsformation. Deshalb ist der Begriff “Sozialstaat”, oder Sätze wie “Wir sind der Staat” Falschwörter und -sätze. Solange es Klassengesellschaften gibt, wird es Staaten geben, und solange es Staaten gibt, ist er das Instrument zur Durchsetzung gegen die ökonomisch unterdrückte Klasse.
5. Der Staat kann daher nie losgelöst von der Gesellschaftsformation gesehen werden. Es stehen sich dort nicht zwei Prinzipien (Soziales und Privates) gegenüber, sondern der Staat dämpft den Konflikt durch Gewalt, Gesetze, aber auch durch die Verkörperung gewisser Allgemeininteressen einer Gesellschaft ab.
6. Deshalb ist für jede ökonomische Gesellschaftsformation ein anderer Staat notwendig. Und für den Sozialismus gilt das ebenso: Durch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel ist der Staat ein anderer Staat, der Staat der Arbeiterklasse ist etwas fundamental anderes als der sozialste Staat im Kapitalismus.