Klimafrage und Klassenkampf – Ein Diskussionsbeitrag

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Eigentlich hatte ich nicht vor meine Meinung zur Klimafrage niederzuschreiben, denn ich bin kein Naturwissenschaftler. Viele andere, die sich zu Wort gemeldet haben, sind es jedoch auch nicht, sowohl auf der Seite, die die These des menschengemachten Klimawandel leugnen, als auch, die sie befürworten. Mir mag es nicht möglich sein en Detail zu beurteilen, was die völlig richtige Antwort ist, aber es ist schon eine absurde Behauptung, wenn man annimmt, dass der Mensch, der den gesamten Erdball besiedelt hat und umgestaltet, dabei keinerlei Einfluss auf das Klima hätte. Aber genau das tun unter anderem die Freidenker1, die „Pfäfflein des Atheismus“2, wie Rosa Luxemburg sie nannte, obwohl man von ihnen am ehesten eine wissenschaftliche Weltanschauung erwarten könnte. Der wissenschaftliche Konsens bejaht den menschengemachten Klimawandel3. Wie gesagt, bin ich außer Stande diese Studien zu beurteilen.

Auslösender Anlass für diesen Beitrag ist ein Artikel von Gert Ewen Ungar, der bei RT Deutsch erschienen ist4. Der Artikel ist natürlich nicht reines Gold, aber auf jeden Fall mehr Gold als Schlacke. Ungar geht wenig auf die CO2-Frage ein, sondern mehr auf die Frage, was man konkret ökonomisch und politisch tun müsste, um die Umwelt wieder in den Griff zu kriegen. Ungar schreibt zu diesem Thema: „Dazu müssen vor allem die westlichen Staaten wieder das Primat der Politik über die Wirtschaft erlangen, denn sie sind in ihrer Unzuverlässigkeit und Vertragsbrüchigkeit der große Risikofaktor. Die Politik muss die Wirtschaft steuern – nicht umgekehrt.“ Er nimmt das Wort Planwirtschaft nicht in den Mund, aber legt es nahe. Lenin schrieb einst in einer Polemik gegen Trotzki und Bucharin: „Politik ist der konzentrierte Ausdruck der Ökonomik. […] Die Politik hat notwendigerweise das Primat gegenüber der Ökonomik. Anders argumentieren heißt das Abc des Marxismus vergessen.“5 Das lässt sich nur umsetzen, indem man die Konzernherren enteignet und eine Planwirtschaft errichtet. Die Partikularinteressen der einzelnen Kapitalgruppen, sowie das Streben nach Profitmaximierung stehen einer umweltverträglichen Gesellschaftsordnung im Wege. Wirtschaftsplanung muss in Zukunft neben der Akkumulation und Konsumtion unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen auch noch die Nachhaltigkeit stärker in den Fokus nehmen.

Dazu ist es notwendig eine ökologisch verträgliche Landwirtschaft zu schaffen, die mit möglichst wenig chemischen Mitteln auskommt, aber dennoch möglichst hohe Erträge erzielt. Die Ausrede, dass es ohne die Chemiekeulen auf den Feldern nicht ginge, darf man nicht durchgehen lassen. Ein großes Problem sind die Monokulturen. Schon Marx warnte vor, dass die kapitalistische Landwirtschaft für kurzfristige Profiterhöhung die langfristige Existenz der Produktion gefährdet6. Im Lehrbuch der politischen Ökonomie in der Ausgabe von 1954 wurde am Beispiel der Getreidemonokulturen in den USA seit Ende des 19. Jahrhunderts von den umweltzerstörenden Folgen gewarnt und dass diese die Böden ruinieren und Staubstürme entstehen lassen7. Beides ist eingetreten. Gaby Weber brachte im Jahre 2017 eine Dokumentation darüber, was die Chemiekeulen von Monsanto den eigentlich sehr fruchtbaren Böden Argentiniens antun samt der gesundheitsschädlichen Folgen für die Landarbeiter und Bevölkerung vor Ort8. Für Sandstürme muss man bereits seit Jahren nicht mehr die Wüste Nordafrikas aufsuchen, sondern es genügt eine Reise nach Norddeutschland, worüber der NDR zuletzt Anfang diesen Jahres berichtete9. Und die Probleme hören dort nicht auf, es gibt die Überfischung vieler Fischarten, die somit vom Aussterben bedroht werden und die Rodung des Regenwaldes, gerne auch per illegaler Brandrodung, wie erst kürzlich in Brasilien10. Die Probleme werden global hervorgerufen durch den Imperialismus. Durch Konsumverzichtsheldentum von Einzelpersonen wird sich nichts verbessern, lediglich werden sich einige, die sich es leisten können, ein „reines Gewissen“ kaufen. Ansonsten geht der Anbau als Raubbau weiter wie zuvor. So kauft beispielsweise das imperialistische China rund 80% des brasilianischen Sojas ab11. Nestlé ist einer der größten Abnehmer für indonesisches Palmöl, wofür ebenfalls der dortige Urwald gerodet wird12. Ähnlich mit Kakao aus Ghana13.

Bei Industrieprodukten muss man mehr auf Recycling setzen, das hört man oft, aber man muss auch recyclebar herstellen. So sind es beispielsweise Tetrapacks entgegen der Werbebehauptungen eben nicht14. Recycling ist dort nützlich, wo Gebrauchsgegenstände unvermeidbar verpackt sind oder eben verschleißen und man sie somit schneller wiederverwerten kann, was den Umlauf an nötigen Ressourcen reduziert. Bei den meisten geht das Nachdenken nicht tiefer als die Frage des Recyclings. Dabei ist der erste Schritt in der Kette die Produktion überhaupt. Die Frage ist also: Ist das produzierte Gut überhaupt nötig? Das beste Beispiel ist das Auto: Es ist teuer, verschwendet Ressourcen, wird selten effektiv genutzt mit voller Besatzung und die Umweltbilanz ist genauso schlecht. Man müsste stattdessen den Nahverkehr ausbauen, aus Städten den Autoverkehr, der ohnehin in solchen Ballungsräumen nicht notwendig wäre, beseitigen und durch kostenlosen Nahverkehr ersetzen, der ausreichend Kapazitäten besitzt. Auf dem Lande würde man auch weiterhin des Autos bedürfen, alleine um einkaufen zu fahren in entferntere Ortschaften oder um allgemein zeitnah irgendwohin zu kommen. Man könnte immerhin den Berufsverkehr und zu den wichtigsten Tageszeiten Busse in wichtige Verkehrsrichtungen fahren lassen. Derzeit ist es mancherorts so, dass man nicht mal als Schüler mehr mit dem Bus zu den Hauptzeiten, an denen man Schulschluss hat, in den eignen Ort kommt, solange er nicht direkt auf der Hauptverkehrsachse liegt. Es gab Zeiten, das ist noch keine zehn Jahre her, da waren Bus und Bahn nicht mal ungefähr mit den Schulschlusszeiten synchronisiert, obwohl Schüler die Hauptfahrgäste ausmachen auf diesen Strecken. Die Autos, die man wohl auf dem Land nie ganz abschaffen kann, könnte man immerhin reduzieren und effektiver nutzen, indem man Auto-Ausleih-Stationen einrichten würde und für die wichtigsten Verkehrsstrecken zu Zeiten, die an die Arbeitszeiten der Masse der Einwohner gekoppelt sind öffentliche Verkehrsmittel fahren lässt, was derzeitig nur sehr bedingt der Fall ist. Die Auto-Ausleih-Stationen wären prinzipiell, was die Bourgeoisie in den Städten als Carsharing als Marktlücke entdeckt hat, nur stationärer gebunden und in verkehrsärmeren Gebieten auf dem Lande.

Diese Lösungen wären erst möglich in der Umsetzung im Sozialismus. Ich habe zwar die CO2-Frage nicht erwähnt, aber diese konkreten Lösungen, die volkswirtschaftlich effizient wären und die Lebensqualität der werktätigen Bevölkerung Deutschlands verbessern würden, würden auch CO2 einsparen. Das Rufen nach CO2-Steuern nützt uns nicht. Die Kosten gehen auf die Verbraucherpreise und die Steuereinnahmen werden nicht in den Klimaschutz fließen, genauso wie die Einnahmen aus den Kfz-Steuern nur zu einem geringen Teil in Ausbesserungen der maroden Infrastruktur fließen. Es wäre ein moderner Ablasshandel. Man bezahlt dann seine Sünden am Klima, statt Maßnahmen zu treffen, die das von Grund auf eindämmen. Man mag vielleicht auch sagen, dass Deutschland für sich genommen keinen allzu großen Anteil an der Verpestung der Umwelt trägt, im Vergleich zu den USA oder China. Das stimmt oberflächlich betrachtet. Aber dabei wird die koloniale Ausbeutung ignoriert, der ganze Anhang des deutschen Imperialismus. Einige alarmierende Zusammenhänge legte Fidel Castro in einer Rede vor den Vereinten Nationen im Jahre 1992 dar15, welche sich bis heute nicht verändert haben, denn das imperialistische Weltsystem besteht noch immer.

Je mehr wir den Imperialismus bekämpfen, desto näher kommen wir nicht nur der sozialistischen Gesellschaftsordnung, die die ökonomische und gesellschaftliche Befreiung der Werktätigen aller Länder mit sich bringt, sondern auch dem notwendigen neuen ökologischen Herangehen. Dieses neue ökologische Herangehen muss die erhöhen der volkswirtschaftlichen Produktivität durch Einsparungen des Aufwandes an Ressourcen bedeuten, denn dort liegt die Wurzel. Arbeit, die Produktion, ist ein Prozess, mit dem der Mensch in den Stoffwechsel mit der Natur tritt16, schrieb Marx bereits im ersten Band des „Kapitals“, also aus einem Naturstoff einen Gebrauchsgegenstand herstellt, welcher unter bestimmten Umständen seinen Nutzen verlieren kann (Verschleiß, Veraltung oder Verlust des Interesses) und somit wieder zum Rohstoff wird. Der Mensch kann nur als Teil der Natur existieren, die menschliche Gesellschaft ist eine Blase umgeben von Natur, wie ein Embryo von der Gebärmutter. Engels führte in der „Dialektik der Natur“ einige Beispiele an, wo sich Völker ihre natürlichen Grundlagen untergraben haben, indem sie durch zu viele Rodungen Raubbau an der Natur betrieben, und somit ihre Feuchtigkeitsspeicher zerstörten und er mahnte dazu, dass je mehr der Mensch die Gesetze der Produktion zu verstehen lernt auch die Rückwirkungen auf die Natur zu verstehen lernen muss17. Engels hatte Mesopotamien, Kleinasien und Griechenland dabei im Auge beim Raubbau an der Natur. Die Untersuchungen zu den Maya belegen das aber auch unabhängig von der sogenannten „alten Welt“18. Dagegen kann man ankämpfen, ohne die Produktivität der Landwirtschaft zu senken, sondern die Natur zu bewahren und damit gleichzeitig sich gegen Dürre und Erosion zu schützen. So zeigte Burkino Faso nach der Revolution unter Führung Thomas Sankaras vom 4. August 1983, wie ein sehr rückständiges, verarmtes und von der Ausbreitung der Wüste in der Sahelzone betroffenes Kolonialland, wie sie innerhalb weniger Jahre in der Nahrungsmittelproduktion unabhängig werden konnten und zugleich der Vertrocknung und Erosion entgegenwirkten. So traf man die Maßnahme Bäume zu pflanzen19 und Staudämme zu bauen. Zum dritten Jahrestag der Revolution verkündete Thomas Sankara, dass die getroffenen Maßnahmen zum Schutz vor Bodenerosion und zur Speicherung von Wasser in den vergangenen drei Jahren mehr Erfolge erzielte als in den Jahren 1960 bis 1983 insgesamt20. Thomas Sankara wandte sich gegen den Neomalthusianismus, demzufolge alle Problem bloß durch Überbevölkerung hervorgerufen werden würden21. Manche kommen auch hierzulande mit dem bankrotten Malthus-Mythos. Dabei ist das eigentliche Problem, wie die Menschen leben und unter welchen sozioökonomischen Zuständen.

Man braucht keine Rotgrünschwäche, um zu sehen, dass der Klassenkampf um die Befreiung des werktätigen Volkes und der Kampf um eine nachhaltige, umweltverträgliche Gesellschaftsordnung eins ist. Wir bedürfen einer effizient geplanten sozialistischen Volkswirtschaft in Verbindung mit einem neuen ökologischen Herangehen. Dazu habe ich meinen Meinung hier dargelegt. Ich hoffe damit einen Mosaikstein von Millionen in der Umweltdebatte gelegt zu haben.

2Freidenkertum und Sozialdemokratie“ (27. September 1910) In: Rosa Luxemburg „Gesammelte Werke“, Bd. 7.2, Karl Dietz Verlag, Berlin 2017, S. 657.

5Noch einmal über die Gewerkschaften, die gegenwärtige Lage und die Fehler der Genossen Trotzki und Bucharin“ (25. Januar 1921) In: W. I. Lenin „Werke“, Bd. 32, Dietz Verlag, Berlin 1982, S. 73.

6Vgl. Karl Marx „Das Kapital“, Bd. I In: Karl Marx/Friedrich Egels „Werke“, Bd. 23, Dietz Verlag, Berlin 1970, S. 529.

7Vgl. „Politische Ökonomie – Lehrbuch“, Dietz Verlag, Berlin 1955, S. 212.

16Vgl. Karl Marx „Das Kapital“, Bd. I In: Karl Marx/Friedrich Egels „Werke“, Bd. 23, Dietz Verlag, Berlin 1970, S. 198.

17Vgl. Friedrich Engels „Dialektik der Natur“, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 190 f.

19Siehe dazu: „Die Bäume retten, die Umwelt und das Leben schlechthin“ (5. Februar 1986) In: Thomas Sankara „Die Ideen sterben nicht“, AfricAvenir International e. V., Berlin 2016, S. 111 ff.

20Vgl. „Entwicklung von der Stange: Nein! Maßgeschneiderte Entwicklung: Ja!“ (4. August 1986) In: Ebenda, S. 135.

21Siehe: „Die Bäume retten, die Umwelt und das Leben schlechthin“ (5. Februar 1986) In: Ebenda, S. 114.

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