Die Sowjetukraine – Ein kurzer Abriss

Verehrte Leser, im Nachfolgenden bieten wir einen Artikel von Genosse Minervan dar.

  1. Die Entstehung der Sowjetukraine
  2. Das politische System
  3. Kulturelle Freiheit und Förderung
  4. Mythos „Holodomor“
  5. Anteil der Ukraine am Sowjetstaat und Kontextualisierung
  6. Fazit
  1. Die Entstehung der Sowjetukraine

Die Große Sozialistische Oktoberrevolution, welche die Arbeiter und Bauern Rußlands unter der Führung der Kommunistischen Partei mit Vladimir Iljitsch Lenin an der Spitze vollbracht haben, stürzte die Macht der Kapitalisten und Grundbesitzer, errichtete die Diktatur des Proletariats und schuf den Sowjetstaat, das Hauptinstrument zur Verteidigung der revolutionären Errungenschaften und zum Ausbau des Sozialismus und Kommunismus.“ 1

So beginnt die Verfassung der Sowjetrepublik Ukraine 1978 und fasst damit die Wurzel ihrer Entstehung zusammen.

Die erste Sowjetukraine war das Produkt der Oktoberrevolution, siegreich durch die Zerschlagung der Ukrainischen Volksrepublik durch die Bolschewiki. Über das Wesen der UVR und ihrer Regierung, der Rada, schreibt Stalin 1917:

Die Rada, oder richtiger ihr Generalsekretariat, ist eine Regierung von Verrätern am Sozialismus, die sich, um die Massen zu betrügen, Sozialisten nennen. Genau so wie die Regierung Kerenskis und Sawinkows, die sich gleichfalls Sozialisten nannten.

Die Rada, oder richtiger ihr Generalsekretariat, ist eine bürgerliche Regierung, die im Bunde mit Kaledin gegen die Sowjets kämpft. Seinerzeit entwaffnete die Regierung Kerenskis im

Bunde mit Kornilow die Sowjets Rußlands. Jetzt entwaffnet die Regierung der Rada im

Bunde mit Kaledin die Sowjets der Ukraine.

Die Rada, oder richtiger ihr Generalsekretariat, ist eine bürgerliche Regierung, die im Bunde

mit den englischen und französischen Kapitalisten gegen den Frieden kämpft.“2

Die zweite Sowjetrepublik entstand kurzzeitig im von den Bolschewiki zurückeroberten Charkow, welches sie zusammen mit der Restukraine im Vertrag von Brest-Litovsk sich zurückziehen mussten und sich an dessen Stelle eine von Deutschland eingesetzte und unterstütze Hetmanregierung trat, sich aber schlussendlich auflöste. Zu dieser Zeit schrieb Stalin 1917:

Die österreichisch-deutschen Imperialisten waren die ersten, die zur Okkupation der Ukraine

schritten. Die „Rada“ und die „Hetmanregierung“ mit ihrer „Selbständigkeit“ waren nur ein

Spielzeug, ein Deckmantel, der diese Okkupation bequem verhüllt und die Ausbeutung der

Ukraine durch die österreichisch-deutschen Imperialisten nach außen hin „sanktioniert“.

Die unzähligen Erniedrigungen und Prüfungen, die die Ukraine während der österreichisch-

deutschen Okkupation erdulden musste, die Zerschlagung der Arbeiter- und

Bauernorganisationen, die vollständige Zerrüttung der Industrie und des Eisenbahnwesens,

die Galgen und Erschießungen – wer hätte diese gewohnten Bilder der „Selbständigkeit“ der

Ukraine unter der Ägide der Imperialisten Österreichs und Deutschland nicht gesehen?“3

Die dritte Sowjetrepublik schließlich entstand 1919 nach der Rückeroberung der Ukraine durch die Bolschewiki von den Zentralmächten, den Anarchisten unter Nestor Machno und teilweise Polens (Die Westukraine verblieb als Teil Polens).

  1. Das politische System

Das politische System der Sowjetukraine wie der Sowjetunion war die Diktatur des Proletariats, das Ökonomische der Planwirtschaft. Das Selbstverständnis sowie einige Eigenschaften des Systems erfuhren im Zuge des Revisionismus seit der Chruschtschow-Ära allerdings einige Veränderungen, zu sehen an der Verfassung von 1937 und 1978.

In Artikel 1 der Verfassung der Sowjetukraine von 1937 etwa steht:

Die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern.“4

In Artikel 1 der Verfassung der Sowjetukraine von 1978 steht allerdings:

Die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik ist ein sozialistischer Staat des gesamten Volkes, der den Willen und die Interessen der Arbeiter, der Bauern und der Intelligenz, der Werktätigen aller Nationen und Völkerschaften der Republik zum Ausdruck bringt.“ 5

Das hängt zusammen mit der revisionistischen These Breshnews vom „Staat des ganzen Volkes“, welcher die Diktatur des Proletariats negiert und für „überholt“ und den Klassenkampf für beendet hält. Dies sollte bei der Betrachtung der Verfassung berücksichtigt werden.

Konkret äußerte sich der Sozialismus und die Herrschaft der Werktätigen im Sowjetsystem, dazu in Artikel 2 der Verfassung von 1937:

Die politische Grundlage der Ukrainischen SSR bilden die Sowjets der Deputierten der Werktätigen, gefestigt im Ergebnis der Sturzes der Kapitalisten und Gutsherren, der Errichtung der Diktatur des Proletariats und die Befreiung des ukrainischen Volkes gegen die nationale Unterdrückung der zaristischen und russischen imperialen Bourgeoisie und die Niederlage der nationalistischen Konterrevolution.“6

Nach marxistisch-leninistischem Vorbild ist „[d]ie führende und lenkende Kraft der sowjetischen Gesellschaft, der Kern ihres politischen Systems, der staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen ist die Kommunistische Partei der Sowjetunion. Die KPdSU ist für das Volk da und dient dem Volk.

Ausgerüstet mit der marxistisch-leninistischen Lehre, bestimmt die Kommunistische Partei die allgemeine Perspektive der Entwicklung der Gesellschaft sowie die Linie der Innen- und Außenpolitik der UdSSR, leitet sie die große schöpferische Tätigkeit des Sowjetvolkes und verleiht seinem Kampf für den Sieg des Kommunismus planmäßigen, wissenschaftlich begründeten Charakter.“7

Einer der größten Errungenschaften der sozialistischen Sowjetunion war die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, Artikel 14 sagt diesbezüglich:

Die Quelle des Wachstums des gesellschaftlichen Reichtums, des Wohlstandes des Volkes und jedes einzelnen Sowjetmenschen ist die von Ausbeutung freie Arbeit der Sowjetmenschen.

Entsprechend dem Prinzip des Sozialismus “Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seiner Leistung” kontrolliert der Staat das Maß der Arbeit und des Verbrauchs. Er bestimmt die Höhe der Steuern auf die steuerpflichtigen Einkommen.

Die gesellschaftlich nützliche Arbeit und ihre Ergebnisse bestimmen die Stellung des Menschen in der Gesellschaft. Der Staat trägt, indem er materielle und moralische Anreize miteinander verknüpft, sowie das Neurertum und die schöpferische Einstellung zur Arbeit fördert, dazu bei, daß die Arbeit zum ersten Lebensbedürfnis eines jeden Sowjetmenschen gemacht wird.“8

Erreicht wurde dies durch die Verstaatlichung von Boden und Produktionsmitteln (Artikel 6, 1937) und der Kollektivierung der Landwirtschaft (Artikel 7, 1937)

Durch die Diktatur des Proletariats war die Arbeiterklasse zum ersten Mal in der Geschichte die herrschende Klasse und errichtete eine Wirtschaft im Dienste der Werktätigen. Dies zeigte sich unter Anderem konkret in Artikel 11:

Das Wirtschaftsleben der Ukrainischen SSR wird durch den staatlichen Volkswirtschaftsplan im Interesse der Mehrung des gesellschaftlichen Reichtums, der stetigen Hebung des materiellen und des kulturellen Niveaus der Werktätigen, der Festigung der Unabhängigkeit des sozialistischen Staates und der Steigerung ihrer Wehrfähigkeit bestimmt und gelenkt.“9

Des Weiteren wurden die sozialistischen Garantien, das Recht auf Arbeit(Artikel 117), auf Erholung (Artikel 118), auf Schutz der Gesundheit (Artikel 40, 1978), auf Wohnen (Artikel 42, 1978), auf Bildung (Artikel 120) und Kultur (Artikel 44, 1978) kodifiziert und im Rahmen der Planwirtschaft realisiert.

Auch mit der Unterdrückung der Frau und ethnischer Minderheiten wurde gebrochen und die materielle Basis für ihre Befreiung geschaffen, wie die Artikel 121 und 122 zeigen:

Artikel 121. Der Frau stehen in der Ukrainischen SSR auf allen Gebieten des wirtschaftlichen, staatlichen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Lebens die gleichen Rechte wie dem Manne zu.

Die Möglichkeit zur Ausübung dieser Rechte wird der Frau dadurch gewährleistet, daß sie dem Manne gleichgestellt ist im Recht auf Arbeit, auf Entlohnung, auf Erholung, auf Sozialversicherung und Bildung, ferner durch staatlichen Schutz der Interessen von Mutter und Kind, durch Gewährung eines vollbezahlten Schwangerschaftsurlaubs, durch das umfassende Netz von Entbindungsheimen, Kinderkrippen und -gärten.”

Artikel 122. Die Gleichberechtigung der Bürger der Ukrainischen SSR auf sämtlichen Gebiete des wirtschaftlichen, staatlichen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Lebens, unabhängig von ihrer Nationalität und Rasse, ist unverbrüchliches Gesetz.10

Artikel 124 garantierte die rechtliche und materielle Basis der Meinungsäußerung:

In Übereinstimmung mit den Interessen der Werktätigen und zur Festigung der sozialistischen Ordnung werden den Bürgern der Ukrainischen SSR durch das Gesetz garantiert: a) die Redefreiheit; b) die Pressefreiheit; c) die Kundgebungs- und Versammlungsfreiheit; d) die Freiheit der Durchführung von Straßenumzügen und -demonstrationen. Diese Rechte der Bürger werden dadurch gewährleistet, daß den Werktätigen und ihren Organisationen die Druckereien, Papiervorräte, öffentlichen Gebäude, Straßen, das Post- und Fernmeldewesen und andere materielle Bedingungen, die zur Ausübung dieser Rechte notwendig sind, zur Verfügung gestellt werden“11

  1. Kulturelle Freiheit- und Förderung

Die Sowjetunion legte großen Wert auf den Erhalt und Förderung ukrainischer Kultur und ihrer Auslebung.

In Artikel 27 der Verfassung hieß es:

Der Staat sorgt für den Schutz, die Mehrung und die umfassende Nutzung der geistigen Werte zur sittlichen und ästhetischen Erziehung der Sowjetmenschen und zur Hebung ihres kulturellen Niveaus. In der Ukrainischen SSR wird die Entwicklung der professionellen Kunst und des Volkskunstschaffens mit allen Mitteln gefördert“12

Dies lag zum Einen an das sozialistische Selbstverständnis sowie die großrussische, chauvinistische Vergangenheit im Russischen Zarenreichs. Da nun die Macht bei den Arbeitern und Bauern lag sollte mit dieser Vergangenheit radikal gebrochen werden, wo einst die nationale Unterdrückung herrschte, herrschte nun das Selbstbestimmungsrecht der Völker. In dem Kontext der Ukraine schrieb Lenin:

Die revolutionäre Demokratie Rußlands muß, wenn sie wirklich revolutionär, wirklich demokratisch sein will, mit dieser Vergangenheit Schluß
machen, sie muß sich, den Arbeitern und Bauern Rußlands, das brüderliche Vertrauen der Arbeiter und Bauern der Ukraine wiedererringen. Das läßt sich nicht erreichen ohne die vollständige Anerkennung der Rechte der Ukraine, auch des Rechts auf freie Lostrennung. Wir sind keine Anhänger der Kleinstaaterei. Wir sind für das engste Bündnis der Arbeiter aller Länder gegen die Kapitalisten der „eigenen” sowie aller Länder überhaupt. Aber gerade damit dieses Bündnis ein freiwilliges sei, tritt der russische Arbeiter, ohne auch nur einen Augenblick
lang der russischen oder der ukrainischen Bourgeoisie das geringste Vertrauen zu schenken, jetzt für das Recht der Ukrainer auf Lostrennung ein, wobei er ihnen seine Freundschaft nicht aufzwingt, sondern diese Freundschaft dadurch erringt, daß er sie als Gleichberechtigte, als Bundesgenossen und Brüder im Kampf für den Sozialismus behandelt.“
13

Unter Stalin verfolgte die Sowjetunion eine Politik der Förderung der „Ukrainisierung“ der Ukraine: Von Parteikader bis zum Proleten, alle sollten nach und nach die ukrainische Kultur annehmen, die staatlichen Behörden mehrheitlich aus Ukrainern bestehen und Kunst und Kultur einen eigenen, ukrainischen Charakter annehmen. Stalin war es jedoch wichtig, dass die Ukrainisierung kein Diktat und Zwang von Oben war, sondern ein natürlicher Prozess. In einer Nachricht von Stalin an Kaganowitsch und anderen Mitgliedern des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Ukraine sagte Stalin:

Er [Schumski] verwechselt die Ukrainisierung des Apparats unserer Partei und anderer. Institutionen mit der Ukrainisierung des Proletariats. Man kann und muss, unter Einhaltung eines bestimmten Tempos, den Apparat unserer Partei, des Staates und andere Apparate, die für die Bevölkerung arbeiten, ukrainisieren. Aber man darf das Proletariat nicht von oben her ukrainisieren. Man darf die russischen Arbeitermassen nicht zwingen, auf die russische Sprache und die russische Kultur zu verzichten und die ukrainische Kultur und Sprache als die ihrige anzuerkennen. Das widerspricht dem Prinzip der freien Entwicklung der Nationalitäten. Das wäre nicht nationale Freiheit, sondern eine eigentümliche Form der nationalen Unterdrückung. Es steht außer Zweifel, dass die Zusammensetzung des ukrainischen Proletariats sich in dem Maße ändern wird, wie sich die Ukraine industriell wird, ebenso wie das Proletariat, sagen wir, in Lettland und in Ungarn, das eine Zeit-lang deutschen Charakter hatte, sich später zu lettisieren beziehungsweise zu madjarisieren begann. Das ist aber ein lang währender, elementar verlaufender, natürlicher Prozess. Diesen elementaren Prozess durch eine gewaltsame Ukrainisierung des Proletariats von oben her ersetzen wollen – heißt eine utopische und schädliche Politik betreiben, die in den

nichtukrainischen Schichten des Proletariats der Ukraine einen antiukrainischen

Chauvinismus hervorrufen kann. Mir scheint, dass Schumski die Ukrainisierung falsch

auffasst und mit dieser letztgenannten Gefahr nicht rechnet.“14

In dem Buch „Human Rights in the Soviet Union“ von Albert Szymanski kommt er zu folgendem Urteil:

Die neue Ukrainische Sowjetrepublik genoss beträchtliche Autonomie und kulturelle Entwicklung. In den 1930er Jahren entwickelte sich vor allem unter der Bauernschaft, die sich im Kollektivierungsstadium befand, ein gewisser Widerstand gegen die Sowjetherrschaft. Es gibt jedoch kaum Anhaltspunkte dafür, dass dieser Widerstand unter den Bauern in der Sowjetukraine deutlich größer war als anderswo in der Sowjetunion.“15

  1. Mythos „Holodomor“

Kritiker und Antikommunisten würden an dieser Stelle den „Holodomor, den Hungergenozid“ einwenden, als „Beweis“ der Feindlichkeit Stalins und der Sowjetregierung der Ukraine gegenüber. Doch Schriften wie die Stalins „Über die Arbeit auf dem Land“ lassen einen solchen Schluss nicht zu. In einem Auszug beschreibt er die Mängel auf dem Land:

Worin besteht der Hauptmangel unserer Arbeit auf dem Lande im letzten Jahr, im Jahre 1932?

Der Hauptmangel besteht darin, dass die Getreidebeschaffung in diesem Jahr unter größeren

Schwierigkeiten verlaufen ist als im vorhergehenden Jahr, im Jahre 1931.

Das läßt sich durchaus nicht mit einer schlechten Ernte erklären, weil die Ernte in diesem Jahr

bei uns nicht schlechter, sondern besser war als im vorhergehenden Jahr. Niemand kann

bestreiten, dass der Gesamtertrag der Getreideernte 1932 größer war als im Jahre 1931, als die

Dürre in fünf Hauptgebieten des Nordostens der UdSSR sich sehr nachteilig auf die

Getreidebilanz des Landes auswirkte. Gewiss hatten wir auch 1932 einige Ernteausfälle

infolge ungünstiger Witterungsverhältnisse am Kuban und am Terek und ebenso in einigen

Gebieten der Ukraine. Aber es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass diese Verluste nicht

einmal halb so groß sind wie die Verluste, die 1931 infolge der Dürre in den Nordostgebieten

der UdSSR zu verzeichnen waren. Es gab also 1932 bei uns im Lande mehr Getreide als 1931.

Und dennoch, trotz dieses Umstands, verlief die Getreidebeschaffung im Jahre 1932 bei uns

unter größeren Schwierigkeiten als im vorhergehenden Jahr.“16

Der Grund für die erschwerte Getreidebeschaffung, neben vier anderen Mängeln, erläutert Stalin im Folgenden:

1. Dies ist vor allem dadurch zu erklären, dass es unsere Genossen an Ort und Stelle, unsere

Funktionäre auf dem Lande nicht verstanden haben, der neuen Lage auf dem Lande, die die

Einführung des kollektivwirtschaftlichen Getreidehandels mit sich brachte, Rechnung zu

tragen. Und gerade weil sie der neuen Lage nicht Rechnung trugen, gerade deshalb haben sie

es nicht verstanden, sich entsprechend der neuen Lage umzustellen. Solange es keinen

kollektivwirtschaftlichen Getreidehandel gab, solange es nicht zweierlei Getreidepreise gab,

den staatlichen und den Marktpreis, hatten wir auf dem Lande eine bestimmte Lage. Mit der

Einführung des kollektivwirtschaftlichen Getreidehandels musste sich die Lage schroff ändern,

weil die Einführung des kollektivwirtschaftlichen Handels die Legalisierung des Marktpreises

für Getreide bedeutet, eines Preises, der höher ist als der festgesetzte staatliche Preis. Es

braucht nicht erst bewiesen zu werden, dass dieser Umstand bei den Bauern eine gewisse

Zurückhaltung in der Getreideablieferung an den Staat hervorrufen musste. Der Bauer

rechnete so: „Der kollektivwirtschaftliche Getreidehandel ist eingeführt, der Marktpreis ist

legalisiert, auf dem Markt kann ich für die gleiche Getreidemenge mehr bekommen als bei der

Getreideablieferung an den Staat – folglich muss ich, wenn ich kein Dummkopf sein will, das

Getreide eine Zeitlang zurückhalten, dem Staat weniger Getreide abliefern, für den

kollektivwirtschaftlichen Handel mehr zurückbehalten und auf diese Weise erreichen, dass ich

für die gleiche Menge verkauften Getreides mehr erziele.“

Die einfachste und natürlichste Logik!

Aber das Schlimme dabei ist, dass unsere Funktionäre auf dem Lande, jedenfalls viele von

ihnen, diese einfache und natürliche Sache nicht begriffen haben. Um die Erfüllung der

Aufgaben der Sowjetmacht nicht zu gefährden, hätten die Kommunisten angesichts dieser

neuen Lage schon von den allerersten Erntetagen an, schon im Juli 1932, die

Getreidebeschaffung in jeder Weise fördern und vorantreiben müssen. Das erforderte die

Lage. Aber wie haben sie in Wirklichkeit gehandelt? Statt die Getreidebeschaffung

voranzutreiben, begannen sie, die Bildung aller möglichen Fonds in den Kollektivwirtschaften

zu forcieren, wodurch sie die Ablieferungspflichtigen darin bestärkten, bei der Erfüllung ihrer

Verpflichtungen gegenüber dem Staat Zurückhaltung zu üben. Da sie die neue Lage nicht

verstanden, befürchteten sie nicht etwa, dass die Zurückhaltung der Bauern bei der

Getreideablieferung die Getreidebeschaffung hemmen könnte, sie befürchteten vielmehr, die

Bauern würden nicht auf den Gedanken kommen, das Getreide eine Zeitlang zurückzuhalten,

um es dann im kollektivwirtschaftlichen Handel auf den Markt zu bringen, und könnten es

sich gar einfallen lassen, ihr ganzes Getreide sofort an die Elevatoren abzuliefern.

Mit anderen Worten: Unsere Kommunisten auf dem Lande, mindestens aber die Mehrzahl

von ihnen, nahmen den kollektivwirtschaftlichen Handel nur von seiner positiven Seite, sie

verstanden und erfassten seine positive Seite, aber die negativen Seiten des

kollektivwirtschaftlichen Handels verstanden und erfassten sie ganz und gar nicht, sie

begriffen nicht, dass die negativen Seiten des kollektivwirtschaftlichen Handels dem Staat

großen Schaden zufügen können, wenn sie, das heißt die Kommunisten, nicht gleich in den

ersten Tagen der Getreideernte beginnen, die Getreidebeschaffungskampagne mit aller Kraft

voranzutreiben.

Und dieser Fehler wurde nicht nur von Funktionären der Kollektivwirtschaften begangen. Er

wurde auch von Direktoren der Sowjetwirtschaften begangen, die das Getreide, das an den

Staat abgeliefert werden sollte, in verbrecherischer Weise zurückhielten und anderweitig zu

höherem Preis zu verkaufen begannen.“17

Die Ursache des Problems lag also, so Stalin, in der Spekulation der Bauern und Direktoren mit dem Getreidehandel sowie einer falschen Herangehensweise der Funktionäre zur Getreidebeschaffung. Bekräftigt wird dies durch den Artikel „Der erfundene Völkermord“ der jungen Welt:

Die Regierung war sich der Gefahr einer Hungersnot bewusst, unterschätzte sie

aber, da der sowjetische Staat zu diesem Zeitpunkt weder ausreichend über

effektive Informationsbeschaffungssysteme noch über landwirtschaftliches

Expertenwissen verfügte. Beides befand sich erst im Aufbau. Die Regierung ging

dennoch zu einem breiten Spektrum an Maßnahmen über, um die Hungersnot

einzudämen. Das vom Land abgezogene Getreide (über staatliche Abgaben

und Privatverkäufe der Bauern) sank erheblich von 18,8 Millionen Tonnen 1931

auf 13,7 Millionen Tonnen 1932. Viele erzwungene Abgaben hatten zudem in den

Hungergebieten stattgefunden und wurden zurückerstattet. Die

Getreideexporte, die oft als Beleg angeführt wurden, dass die Regierung den

Hungertod von Millionen in Kauf nahm, wurden in Wirklichkeit nach Ausbruch

der Hungersnot drastisch reduziert: Mitte 1931 bis Mitte 1932 waren noch 4,7

Millionen Tonnen exportmiert worden, im Folgejahr nur noch 1,6 Millionen, davon

nur 220.000 Tonnen im ersten Halbjahr 1933, gemessen an der Gesamtgröße der

Ernte eine minimale Größe.“18

Die Ursachen der Hungersnot sind aber auch zu einem bedeutenden Teil bei den Umwelteinflüssen zu suchen:

Mark B. Tauger hat dagegen nicht nur die Version einer beabsichtigten

Hungersnot, sondern auch die einer unbeabsichtigten, aber dennoch

»menschengemachten« Katastrophe einer umfassenden Kritik unterzogen. Der

renommierte Experte der sowjetischen Agrargeschichte verfolgt im Kern zwei

Argumentationslinien. Zunächst bietet er eine umfassendere Analyse der

Faktoren, die zur Hungersnot geführt haben, als alle anderen Autoren und weist

nach, dass die Umweltbedingungen als Ursache der Hungersnot den bei weitem

wichtigsten Faktor darstellten. Große Teile der Sowjetunion wurden 1931/32 von

einer schweren Dürre heimgesucht, gleichzeitig kam es in einigen Regionen zu

schweren Regenfällen und Überflutungen, die große Teile der Ernte

vernichteten. Begünstigt durch die übermäßige Feuchtigkeit, brachen schwere

Pflanzenkrankheiten aus, vor allem Rostpilz in mehreren Varianten,

Getreidebrand und Mutterkorn. Zusätzlich vermehrten sich Schädlinge und alle

Arten von Unkraut in Massen. Nach einer sowjetischen Schätzung wurden etwa

neun Millionen Tonnen Getreide oder 13–20 Prozent der Gesamternte allein

durch Getreidebrand und Rostpilz vernichtet. Die Ernteeinbußen durch weitere

Krankheiten, Schädlinge und Wetterbedingungen waren ebenfalls substantiell.“19

Auch die Zahl der Toten der ukrainischen Bevölkerung lassen nicht auf einen bewussten Völkermord schließen. Die Studie „A New Estimate of Ukrainian Population Losses during the Crises of the 1930s and 1940s“ aus dem Jahr 2002 geben an, dass die Zahl der gestorbenen Ukrainer auf 2.6. Millionen belief.

Die Ursachen der Hungersnot von 1931-1933 sind demnach keineswegs das Produkt eines versuchten Genozids an der ukrainischen Bevölkerung, sondern eine Kombination aus Mängeln bei der Umsetzung der Kollektivierung und Getreidebeschaffung, Spekulantentum und Umweltbedingungen. Der Mythos des Holodomors ist ein Konstrukt faschistischer und antikommunistischer Propaganda, welche von ukrainischen Nationalisten und vom ukrainischen Staat vereinnahmt wurde:

Das Geburtsjahr des »Hungergenozids« ist das Jahr 1935. Damals veröffentlichten US-Zeitungen, die dem Imperium des Medienmoguls William Randolph Hearst angehörten, eine Serie über die »ukrainische Hungersnot«, gezeichnet von Thomas Walker. Hearst selbst war einer der reichsten Männer der Welt und glühender Anhänger von Hitler und Mussolini. Es dauerte allerdings nicht lange, bis sich alles an der Serie als Fälschung herausstellte: Nicht nur die Behauptungen Walkers waren erfunden, auch seine Bilder stammten aus anderen historischen Kontexten, aus Österreich-Ungarn während des Ersten Weltkriegs oder Russland während der Hungersnot von 1921/22.1 Diese Peinlichkeiten hielten natürlich den Völkischen Beobachter nicht davon ab, die Schauermärchen der Hearst-Presse zu übernehmen und in den Dienst der Propaganda gegen den »jüdischen Bolschewismus« zu stellen.“20

  1. Anteil der Ukraine am Sowjetstaat und Kontextualisierung

1972 betrug der Anteil der Ukrainer in der KPdSU 15.95%. Damit stellten sie neben den Russen mit 61.02% die 2. größte Bevölkerungsgruppe innerhalb der KPdSU dar.21 Die hohe Zahl der Russen lässt sich durch die relative Größe und Zahl der Bevölkerung der RSFSR innerhalb der UdSSR erklären. Die Zahl der Ukrainer innerhalb der Ukrainischen SSR nahm zwischen 1959 (76,8%) und 1979 (73,6%) leicht ab und die Zahl der Russen innerhalb der USSR von 19,4% zu 21,1% leicht zu22 Albert Szymanski erklärt die Entwicklung folgendermaßen:

Die sowjetische Politik fördert zwar die Entwicklung und Bewahrung der einheimischen Kultur und Sprache, fördert aber auch die Migration verschiedener Nationalitäten in der gesamten UdSSR, insbesondere in die ressourcenreichen, unterbevölkerten Gebiete Sibiriens und großer Teile Zentralasiens. So ließen sich große Mengen Slawen, vor allem Russen und Ukrainer, in Zentralasien nieder, insbesondere in Kasachstan, wo sie die Mehrheit der Gesamtbevölkerung stellten.“23

Von einer bewussten Politik des „Großrussischen Chauvinismus“ im Kontext der Ukraine lässt sich also nicht reden, im Gegenteil.

  1. Fazit

Die Ukraine war innerhalb der Sowjetunion ein gleichberechtigtes und souveränes Mitglied, eine Unterdrückung der Ukraine, ihrer Bevölkerung und Kultur, fand staatlicherseits nicht statt. Lenin und Stalin schenkten der Ukraine große Aufmerksamkeit und setzten sich aktiv für ihr Wohlergehen ein. Das Sowjetsystem befreite die Ukraine von den Ketten des großrussischen Chauvinismus aus der Zarenzeit und gewährte den Werktätigen umfassende Rechte und Garantien wie kein anderes. Ein Genozid fand an der Ukraine, wie es der „Holodomor“ Mythos behauptet, nicht statt. Die Sowjetukraine stellte die höchste Errungenschaft des ukrainischen Proletariats im Bündnis mit den anderen Völkern der Sowjetunion dar. Eine bessere Ukraine war möglich, für eine bessere, proletarische und sozialistische Sowjetukraine zu kämpfen ist die Aufgabe und Herausforderung der Kommunisten und Proletariats der Ukraine.

  1. 1. Verfassung der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik 1978 (Präambel) https://www.verfassungen.net/ua/verf78.htm#0
  2. 2. J.Stalin, WAS IST DIE UKRAINISCHE RADA?; In: Stalin Band 4, S.19; http://www.kpd-ml.org/doc/partei/stalin-band04.pdf
  3. 3. J. Stalin, Die Ukraine befreit sich; In: Stalin Band 4, S.102; http://www.kpd-ml.org/doc/partei/stalin-band04.pdf
  4. 4. Verfassung der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik 1937; Artikel 1; https://www.verfassungen.net/ua/verf37-i.htm

5: Verfassung der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik 1978; Artikel 1

  1. 6. Verfassung der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik 1937; Artikel 2
  2. 7. Verfassung der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik 1978; Artikel 6
  3. 8. Ebenda; Artikel 14
  4. 9. Ebenda; Artikel 11
  5. 10. Verfassung der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik 1937; Artikel 121 und 122

11Ebenda; Artikel 124

  1. 12. Artikel 27 der USSR: https://www.verfassungen.net/ua/verf78.htm#Kapitel_3._Soziale_Entwicklung_und_Kultur_
  2. 13. W. I. Lenin, Die Ukraine In: Werke 25, S. 81 https://kommunistische-geschichte.de/LeninWerke/LW25.pdf
  3. 14. AN GENOSSEN KAGANOWITSCH UND ANDERE MITGLIEDER DES POLITBÜROS DES ZK DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI DER UKRAINE (BOLSCHEWIKI) https://kommunistische-geschichte.de/StalinWerke/stalin-band08.pdf
  4. 15. Albert Szymanski, Human Rights in the Soviet Union (Zitat Übersetzt ins Deutsche) https://archive.org/details/HumanRightsInTheSovietUnion/page/n49/mode/2up
  5. 16. J. Stalin, Über die Arbeit auf dem Lande S.129; In: Stalin Band 13; https://kommunistische-geschichte.de/StalinWerke/stalin-band13.pdf

17Ebenda, S.129-130

  1. 18. https://www.jungewelt.de/artikel/312978.der-erfundene-v%C3%B6lkermord.html
  2. 19. Ebenda
  3. 20. Ebenda

21 Albert Szymanski, S.59

22 Ebenda S.57

23 Ebenda S.56 (Zitat ins Deutsche übersetzt)

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