Die Herrschaft des Kapitals über die Länder der Peripherie
Verehrte Leser, im Folgenden bieten wir einen Artikel von Genossen Farzin Mazandarani dar.
Viele Genossen fragen sich: Zwischen Russland, China und dem Westen, geführt von den Vereinigten Staaten, muss es doch sicherlich eine antiimperialistische Richtung geben, oder? Für viele selbsternannte Marxisten und “Antiimperialisten” erübrigt sich diese Frage schnell, denn nur Regierungen wie China -welche ja angeblich Millionen von Menschen aus der Armut gehoben hat- kann einen antiimperialistischen Block darstellen. Nur Russland, welches vom Westen ausgeraubt und ausgebeutet wird, kann sich selbst Verteidiger der unterdrückten Völker der Welt nennen.
Es ist erstaunlich, aber die Antwort auf die Frage liegt nicht in dem Spektrum, sondern auf dem, was darüber steht, wie vieles im Marxismus gibt es hierauf keine einfache und einseitige Antwort, sondern eine wissenschaftliche und vielschichtige Analyse.
Sowohl Maos China als auch die Sowjetunion existierten zu Zeiten, in denen Kapital nicht die gesamte Arbeit des Planeten unter sich subsumiert hatte, sondern zu Zeiten, in denen es Länder gab, die ihren eigenen Weg zum Kapitalismus hätten gehen können. Heutzutage gibt es selbsterklärte Antiimperialisten, die an den alten Prinzipien festhalten. Sie behaupten, Länder wie China, Russland wären Diktaturen des Proletariats, progressive bürgerliche Kräfte oder gar sozialistische Länder. Sie verteidigen sie gegen den westlichen Imperialismus und verteidigen die Existenz des Kapitals in diesen Ländern.
Antiimperialismus, ohne die Massen gegen das Kapital zu vereinigen, ist eine form- und sinnlose Bewegung. Denn aus ihm wächst ein neuer Kapitalismus und ein neues Land, das nach der Logik des Kapitals wieder zur Kolonie wird, so funktioniert eben Karl Marx. Er hat dazu auch schon Notizen angelegt in “Das Elend der Philosophie”:
“Die ökonomischen Verhältnisse haben zuerst die Masse der Bevölkerung in Arbeiter verwandelt. Die Herrschaft des Kapitals hat für diese Masse eine gemeinsame Situation, gemeinsame Interessen geschaffen. So ist diese Masse bereits eine Klasse gegenüber dem Kapital, aber noch nicht für sich selbst. In dem Kampf, den wir nur in einigen Phasen gekennzeichnet haben, findet sich diese Masse zusammen, konstituiert sie sich als Klasse für sich selbst. Die Interessen, welche sie verteidigt, werden Klasseninteressen. Aber der Kampf von Klasse gegen Klasse ist ein politischer Kampf.”
-Karl Marx Friedrich Engels Werke, Band 4, Dietz-Verlag Berlin, 1977; S. 180f.
Heute sind die Bedingungen vollkommen anders, sämtliche Arbeit ist dem Kapital untergeordnet und dementsprechend gibt es auch nur eine Masse gegen und eine Minderheit für das Kapital, es gibt keinen Antiimperialismus, der ein langfristiges eigenständiges Regime der nationalen Bourgeoisie hervorbringen könnte, denn dieses würde durch außenwirtschaftliche Abhängigkeiten wieder dem ausländischen imperialistischen Kapital untergeordnet oder von jenem durch Intervention zerschmettert werden. Imperialismus in seiner Erscheinungsform ist unglaublich komplex, aber jede Antwort, wie der Imperialismus abgeschafft werden müsse, fällt wieder auf die Frage zurück, was der Kapitalismus ist und wie man ihn los wird.
Weiterhin führte die stärkere Sozialisierung der Arbeit und Zentralisierung des Kapitals dazu, dass internationale Agitation und Revolution (womit eigentlich nur periphere Länder gemeint sein können, aber eben nicht nur eins, sondern mehrere) vollkommen möglich und sinnvoll sind. Eine Masse gegen das Kapital fokussiert sich nicht nur auf ein Land und versucht die bürgerlich-demokratische Revolution dort zu Ende zu führen, sondern führt den revolutionären Krieg fort, die Bedingungen sind gegeben, es mag eventuell zu Etappen oder Zeiten kommen, wo die Revolution vorerst nicht weiter ausgebreitet werden kann, bis der Punkt erreicht ist, muss die Masse gegen das Kapital allerdings in den Festungen gefestigt und bereit sein.
Hier kommt aber das erste Argument einiger “Antiimperialisten”: In Russland gab es auch eine Stufe der bürgerlich-demokratischen Revolution! Auch dort gab es (Staats-)Kapitalismus auf dem Land und die Entwicklung der Produktivkräfte wurde gefördert!
Die russische Landwirtschaft war bei weitem nicht dominiert von Kapital sondern fand auf der Basis der Obschtschina (der primitiven russischen Volkskommune) statt, daher kam Lenin auch sein Plan der NÖP (Neue Ökonomische Politik), die Verschmelzung der Bauernwirtschaft mit dem sozialistischen Staat und dem Kampf gegen die Subsumtion der Bauern unter dem Kapital der Kulaken. Lenin war von korrekten Theorien genährt: Er wusste, dass der Sozialismus nur auf der Basis der kapitalistischen abstrakten Formen errichtet werden kann. Für ihn war die ursprüngliche Akkumulation jedoch kein Weg, um den Bauern in diese Formen einzugliedern, sie würde einen Kampf des Bauerns mit dem Staat führen, seiner Separation vom Eigentum und somit aus dem sowjetischen Staat eine Diktatur der Bourgeoisie gegen die Bauern machen (Trotzkis Konzeption kam einem Kampf des Staates gegen die Bauern tatsächlich sehr nahe, weswegen es Kritik aus Lenins Lager gegen hagelte). Die Neue Ökonomische Politik sollte den Bauern eingliedern in die Produktion des Staates, das nationalisierte Land sollte an die Bauern vermietet werden, der Bauer würde zum “Angestellten des Staates” werden, das primitive Verhältnis der kleinen Produktion würde verschwinden, stattdessen würde die Massenproduktion landwirtschaftlicher Produkte durch die “Bauernfirmen” und Genossenschaften ihren Platz einnehmen und die Gesellschaft wäre reif für den Übergang in die nächste Stufe der Gesellschaft.
In den letzten Jahrzehnten wurden in China rund 130 Millionen Bauern enteignet. Klingt das nicht genau so, wie die ursprüngliche Akkumulation?
Um hier schonmal Kritik an der Quelle auszuschließen möchte ich noch erläutern: Dieser Artikel ist nicht von Chuang selbst verfasst worden, sondern es handelt sich bloß um seine Übersetzung, die wieder gepostet wurde. Der Originalartikel ist auf der Seite verlinkt und kann natürlich ohne die Kommentare und den Einfluss von ihm gelesen werden. Ich habe das Zitat nochmals selber vom Englischen ins Deutsche übersetzt.
“Zweitens: Was die Zahl der Bauern betrifft, die durch Enteignung Ackerland verloren haben, so haben nach dem Verhältnis “weniger als 0,7 mu [“mu” ist eine südasiatische Einheit für Flächen, ein mu beträgt ca. 666.7m2 oder 1/15 Hektar -F. M.] Ackerland pro Kopf” (d.h. für jeden besetzten mu wurden 1,43 Bauern völlig landlos) zwischen 1991 und 2002 62,3 Millionen Bauern ihr Land verloren, was einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg von 5,19 Millionen Menschen entspricht. Nach der genaueren Berechnungsmethode (0,61 mu pro Kopf; für jeden mu wurden 1,64 Bauern völlig landlos) lag die Zahl der Bauern, die zwischen 2003 und 2013 landlos wurden, bei 65,14 Millionen mit einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg von 5,9 Millionen Menschen. Insgesamt belief sich die Zahl auf 127,45 Millionen Menschen. Berücksichtigt man die Dimension der “Pacht-Ersatz-Besetzung (以租代征)” der Erschließung von Ackerland, so könnte die Zahl der Bauern, die in diesem Zeitraum landlos wurden, sogar 130 Millionen Menschen betragen.”
“Wie aus der obigen Zusammenfassung hervorgeht, sind Tempo und Ausmaß der chinesischen Erschließungen atemberaubend: In weniger als einem Vierteljahrhundert wurden in China 3,4 Mal mehr Ländereien erschlossen, als in den 400 Jahren britischer Erschließungen, und sieben Mal mehr als in den schnellsten 30 Jahren britischer Erschließungen [im frühen 19. Jahrhundert]. Dementsprechend ist in China eine viel größere Zahl von enteigneten Bauern von der Landerschließung betroffen: 3,4 Mal mehr als in Großbritannien am Ende seiner Enklaven (1875, 37,5 Millionen). Noch wichtiger ist, dass es etwa 300 Jahre dauerte, bis die Erschließungen in Großbritannien ihren “Höhepunkt” erreichten, während die Erschließungen in China gleich zu Beginn ihren Höhepunkt erreichten.”
“Der Prozeß, der das Kapitalverhältnis schafft, kann also nichts andres sein als der Scheidungsprozeß des Arbeiters vom Eigentum an seinen Arbeitsbedingungen, ein Prozeß, der einerseits die gesellschaftlichen Lebens- und Produktionsmittel in Kapital verwandelt, andrerseits die unmittelbaren Produzenten in Lohnarbeiter.”
-Karl Marx Friedrich Engels Werke, Band 23, Dietz-Verlag Berlin, 1962; S. 742
Ich sehe selten “Marxisten,” die die Separierung des Arbeiters von seinen Produktionsmitteln unterstützen. Ist das “die ursprüngliche Akkumulation des Volkes” oder wie sieht das genau aus? Denn die Industrialisierung, also die Mobilisierung massiver Produktivkräfte und die Teilung des Arbeiters von seinen Produktionsmitteln ist für Marx der Startpunkt bzw. die Erweiterung kapitalistischer Verhältnisse und Lenin kommt darauf in seiner Kritik des Imperialismus auch zurück, weil auch ihm aufgefallen ist, dass die Mobilisierung immer größerer Arbeitsmassen notwendig ist, um den Imperialismus zu erhalten.
Ich finds ganz interessant, dass China die organische Zusammensetzung des Kapitals herunterdrehen will um mehr Profit aus seiner Einflusssphäre herauszukriegen (dazu später mehr), klingt ja komischerweise genau nach dem Imperialismus, den die “Antiimperialisten” abschaffen möchten.
Letztendlich war es Trotzki, der sagte: “Der Sozialismus bewies sein Recht auf den Sieg nicht auf den Seiten des „Kapital“, sondern in einer Wirtschaftsarena, die ein Sechstel der Erdoberfläche bildet, bewies es nicht in der Sprache der Dialektik, sondern in der Sprache des Eisens, des Zements und der Elektrizität.”
-Leo Trotzki: Verratene Revolution, Arbeiterpresse, 1997; S. 10
Die heilige Allianz mit den “guten Imperialisten”
Wenn diese selbsterklärten “Antiimperialisten” die Allianz mit anderen imperialistischen Blöcken bevorzugen, ist dieser Antiimperialismus einfach Imperialismus mit anderer Form und dem selben Inhalt, also formbestimmter Kapitalismus in seiner höchsten Stufe.
Der Staat als individueller Produzenten unterliegt auch der unpersönlichen Herrschaft und dem Fetischismus des Kapitals. Für einen arabischen und iranischen Arbeiter ist die Form der Unterdrückung, die durch jegliches Kapital kommt völlig offensichtlich und der Imperialismus der jeweiligen Länder steht nicht mal zur Debatte, besonders nicht in den Untergrundkreisen der Intellektuellen.
Klassenbewusstsein ist ein weiteres komplexes formbestimmtes Thema und hängt punktgenau mit Kapital zusammen, Klassenbewusstsein entsteht da, wo eine Masse gegen das Kapital steht und da heute der größte Teil der Welt eine Masse gegen das Kapital formt, ist der Ausgangspunkt auch internationale Agitation und Koordinierung von Revolutionen und keine Allianz mit den Kräften, die das Kapital erhalten wollen und dazu zählen auch die bürgerlichen Staaten der dritten Welt.
“Ablehnung” durch die nationale Bourgeoisie ist kein Maßstab für was “korrekt” ist, als Marxist, es ist einfach nur ein Zeugnis von schlechter Kenntnis marxistischer Prinzipien und der Kritik des Kapitalismus, denn die Bourgeoisie ist immer Kapital in seiner personifizierten Form und so sind bürgerliche Staaten auch Diener des Kapitals, da der Staat in seiner Komposition ein Werkzeug und eine gesellschaftliche Form darstellt, die den Kapitalisten dient. Das steht auch auf den Seiten von Staat und Revolution (aber auch schon lange davor in Marx’ Werken).
Vielleicht muss ich also bei der Staatentheorie anfangen, Marx hat in seinen früheren Werken über den Staat zwischen der “Zivilgesellschaft” und dem “Staat” in seiner Kritik der hegelianischen Rechtsphilosophie unterschieden, somit kritisiert er auch direkt die Notation eines “Volksstaates” oder dem sowjetrevisionistischen “Staat des ganzen Volkes”, eine grundlegende Voraussetzungen für den falschen Antiimperialisten:
“Es fragt sich dann: Welche Umwandlung wird das Staatswesen in einer kommunistischen Gesellschaft untergehn? In andern Worten, welche gesellschaftliche Funktionen bleiben dort übrig, die jetzigen Staatsfunktionen analog sind? Diese Frage ist nur wissenschaftlich zu beantworten, und man kommt dem Problem durch tausendfache Zusammensetzung des Worts Volk mit dem Wort Staat auch nicht um einen Flohsprung näher.”
-Karl Marx Friedrich Engels Werke, Band 19, Dietz-Verlag Berlin, 1987, S. 28
“Der Gegensatz von Staat und bürgerlicher Gesellschaft ist also fixiert; der Staat residiert nicht in, sondern außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft; er berührt sie nur durch seine »Abgeordneten«, denen die »Besorgung des Staats« innerhalb dieser Sphären anvertraut ist. Durch diese »Abgeordneten« ist der Gegensatz nicht aufgehoben, sondern zu einem »gesetzlichen«, »fixen« Gegensatz geworden. Der »Staat« wird als ein dem Wesen der bürgerlichen Gesellschaft Fremdes und Jenseitiges von Deputierten dieses Wesens gegen die bürgerliche Gesellschaft geltend gemacht.”
-Karl Marx Friedrich Engels Werke, Band 1, Dietz-Verlag Berlin, 1981; S. 252
Kapital und doch gleicher Austausch?
Das Konzept des Kapitals beruht auf einer Abstraktion der Warenform und Geldform, der Kapitalismus ermöglicht nicht nur die qualitative Veränderung einer Ware im Tausch (WGW) sondern auch eine quantitative Veränderung von Geld in der Zirkulation (GWG’), an dessem Ende ein Mehrwert übrig bleibt, nämlich das akkumulierte Geld. Wohin fließt jetzt also Kapital? Von der Kolonie zum Kernland oder vom Kernland zur Kolonie? Die Antwort ist durch beide, Lenin geht darauf nicht so sehr ein, weil er das Wissen über Kapital voraussetzt. Die Akkumulation von Kapital jedoch findet im Kern statt, wo die Waren importiert werden und auf dem Markt verkauft werden, um die Transformation zur Geldform abzuschließen.
Auch Länder der dritten Welt importieren z.T. untereinander z.T. vom Westen Industriegüter, in Form von Maschinen und Waren, als auch Technologie, jedoch kommt hier jetzt das ins Spiel, was Marx im 2. und 3. Band von Das Kapital einbringt , nämlich die Angleichung der Profitrate über mehrere Abteilungen (bzw. Produzenten). Kapital fließt immer zu dem Departement, welches die größte Profitrate hat, die Einfuhr von konstantem Kapital verringert jedoch die Profitrate in diesem Departement wieder, sodass sich die Profitrate überall angleicht. Allerdings machen wir mehrere Voraussetzungen:
1) Wir nehmen an, dass Kapital sich über alle Abteilungen verteilen darf. Wenn wir uns den Weltmarkt anschauen, können wir also annehmen, dass das so ziemlich stimmt. Kapital hatte noch nie einen so hohen Grad an Mobilität auf der ganzen Welt.
2) Wir nehmen an, dass die organische Komposition an Kapital die gleiche ist und da fängt unser einfaches Modell an zu zerbrechen.
Obwohl Kapital international mobil ist, ist die organische Zusammensetzung, also das Verhältnis von Maschinen- zu Lohnkapital nicht dasselbe. Zwei Länder mit derselben Menge an Kapital und unterschiedlichen Lohnniveaus produzieren also zu unterschiedlichen Preisen. Es ist der Austausch dieser Waren, die zu unterschiedlichen Werten produziert und verkauft werden, in dem der eigentliche Kern des Imperialismus steckt. Es ist nicht der oberflächliche Austausch und Produktion von Waren, sondern es ist der Mechanismus des Kapitals selber, die Art und Weise wie er zirkuliert und sich verteilt, die ein Land also seinen Rang in der imperialistischen Hierarchie zuweist, die primären Fragen sind also inwiefern 1. Variables und konstantes Kapital eingesetzt wird 2. Notwendigerweise, wie das Lohnniveau aussieht und 3. Wohin diese Waren zirkulieren (obwohl die 3. nicht so wichtig ist, aber trotzdem relevant genug). Ein kleiner Blick auf die Statistik zeigt, dass eine Ware, welche in Indien produziert wird (für einen Reallohn von ca. 2€ pro Tag laut ILO-Statistik also rund 60, sagen wir mal 80€ im Monat) wesentlich günstiger ist, als eine Ware, welche in Russland produziert wird (ca. 1140€/Monat laut einer trendingeconomics-Statistik), sollte also Russland also eine Ware kaufen, die in Indien statt in Russland produziert wird, werden entsteht rund 970€ Extraprofit für Russland (pro Ware), das ist der Imperialismus des Handelns und das Kapital zirkuliert für den russischen Preis oder leicht darunter durch den Markt (etwas, was Marx in Das Kapital Band 1 auch schon ziemlich ausführlich erklärt). Noch konkreter können wir das mal am Beispiel von Brot durchrechnen, 500g Brot in Russland kosten ca. 80 Cent, Brot in Indien kostet rund 47 Cent, nun produziert Russland sein Brot nicht selber, sondern import es aus Indien und verkauft es für den Preis von 80 Cent, es entsteht neben dem Mehrwert aus der Produktion noch 33 Cent Extraprofit (ein Begriff aus Kapital Band 1) pro 500g Brot, bei anderen Waren ist der Unterschied noch größer und somit der Profit, der durch diesen ungleichen Austausch entsteht noch höher.
Marxismus beschäftigt sich nicht primär mit Zahlen, wir sind keine Empiristen oder Positivisten, es geht um die Erklärung von Konzepten und ihre Formbestimmung. Marx macht in das Kapital ebenso keine logisch-historische oder empirische Analyse der Wirtschaft, sondern eine konzeptionelle, abstrakte und es ist genau diese Abstraktion, die seine Theorie so anders und wertvoll macht. Zahlen geben uns einen groben Einblick in die Realität, schließlich ist unser Zahlensystem selbst eine von uns geschaffene Abstraktion und besitzt keine chirurgische Präzision. Das Konzept des Ungleichen im Gleichen ist jedoch nicht fremd bei Marx.
Selbst im Tausch zwischen Lohn und Arbeit scheint es so, als wäre es ein Tausch von äquivalenten, jedoch wissen wir, dass es in Wirklichkeit, in seiner Tiefe kein Tausch von Äquivalenten ist, schlussendlich ist der Unterschied darauf zurückzuführen, dass der Käufer der Besitzer von Kapital ist und der Verkäufer nicht. Das Verhältnis ist asymmetrisch. Ähnlich findet zwischen den Staaten formal ein gleicher Austausch statt. Jedoch sind Staaten in ihrer Komposition nicht gleich, organische Zusammensetzung von Kapital, z.T. Profitraten, Löhne und so weiter. Es ist also eine grobe Abstraktion, diese auszulassen.
Hat China allerdings nicht Millionen Menschen aus der Armut geholt?
Ist das irgendetwas Besonderes? Das imperialistische System hat scheinbar selbiges im Westen errungen und der Westen ist de facto der reichere Teil im Vergleich mit China oder Russland. Der Widerspruch hier ist wirklich schmackhaft, zum einen hat der Imperialismus Millionen Chinesen aus der Armut gezogen, selbiges hat es im Westen aber nicht gegeben, gleichzeitig aber China muss gegen den “imperialistischeren” (und auch reicheren) Westen unterstützt werden?
Was ist aber die Definition von Armut? Armut ist für die Apologeten die Definition der UN, nämlich ein Tageseinkommen von genau $1,90/Tag. Natürlich werden alle Zahlen bombastisch riesig, wenn man die Messlatte nur tief genug setzt.
Lenins Formel der NÖP war ebenfalls nicht die bloße Entwicklung der Produktivkräfte, sondern die Transformation der Bauernwirtschaft in eine kapitalistische und schlussendlich eine sozialistische. Die Mechanisierung und Erweiterung der Landwirtschaft waren Mittel zum Zweck und nicht der Zweck selbst. Heutzutage ist es ebenfalls eine absolut sinnlose Debatte, die Welt ist in deinen Produktivkräften so reich wie nie zuvor. Der HDI von China und Russland bewegt sich bei ca. 0,8 (China bei 0,76 und Russland bei 0,83) und ist somit dem Westen nur in geringem Maße unterlegen. Besonders die Mobilisierung hunderter Millionen neuer Arbeiter durch ursprüngliche Akkumulation und Proletarisierung der alten Klassen ist der größte Beweis dafür (nochmals: Besonders in China).
Alles was man von diesen selbsternannten “Antiimperialisten” hört ist einfach nur wertloses Gefasel über bloßen Produktivismus, weder Marx, noch irgendeinen Klassiker, noch irgendeinen gescheiter Marxist wirklich hängt sich dermaßen an der reinen Entwicklung von Produktivkräften auf. Marxismus liefert in einem gewissen Sinne eine Antwort darauf, wie man ein Land industrialisiert, inwiefern spielt dort aber die Apologetik des Kapitals eine Rolle? Der Marxismus gibt eher eine Antwort darauf, wie der Kapitalismus funktioniert und sich auf uns auswirkt und wie man ihn wieder los wird, er betont, dass der Klassenkampf und nicht der Stand der Technik der Motor der Geschichte ist (wie in unzähligen Malen in Grundrisse und anderen philosophischen Werken betont wird). China kann noch weitere “hunderte Millionen Leute aus der Armut” ziehen, die abstrakten Kategorien des Kapitalismus werden herrschen und sie sind nicht gerade gnädig zu denjenigen, die den Mehrwert für diese Expansion erschaffen müssen…