Die abgebrannte „Brandmauer“ – Merz, die AfD und die Bundestagswahl

Die angebliche „Brandmauer“, die nie mehr als eine Fiktion war, ist am Ende: Die CDU unter Merz hat am 29. Januar 2025 zusammen mit FDP und AfD einen Antrag zur Begrenzung der Migration durch den Bundestag mit knapper Mehrheit beschließen lassen1. Noch wenige Tage zuvor behauptete Merz, mit der AfD nicht zusammenarbeiten zu wollen2. Diese Tatsache rief einen Aufschrei der „bürgerlichen Mitte“3 hervor, der an Heuchelei, Hilflosigkeit und Lächerlichkeit kaum zu überbieten ist. Zum einen ist es seit Jahren offensichtlich, dass auf diesem Gebiet etwas getan werden muss und zum anderen lenkt diese Debatte wieder einmal von den großen sozioökonomischen Problemen ab und verengt das Debattenspektrum. Die AfD konnte überhaupt erst so groß werden, weil Themen, wie die Migrationsfrage, zu Tabuthemen erklärt worden sind. Die sogenannte „Mitte“ regt sich also bloß über die Symptome von ungelösten Problemen auf.

Es ist klar, dass Merz vor der anstehenden Bundestagswahl am 23. Februar 2025 mit diesem Beschluss Wählerstimmen aus dem AfD-Spektrum gewinnen wollte. Ging diese Rechnung auf? Die Umfragen zeigen für die CDU eher eine Stagnation. Die Partei, die unter Merkel sagte: „Wir schaffen das!“, gilt diesem Spektrum als nicht vertrauenswürdig genug, um eine 180-Grad-Wende zu vollziehen in der Migrations- und Flüchtlingspolitik. Das erkennt man auch daran, dass der Gesetzentwurf am 31. Januar 2025 abgelehnt wurde, unter anderem, weil aus der CDU bei dieser ohnehin knapp kalkulierten Abstimmung 12 nicht zur Abstimmung erschienen (zum Vergleich: zwei Tage zuvor stimmte einer aus der CDU gegen den Entschließungsantrag und acht erschienen nicht zur Abstimmung) und bei der FDP es mehr Enthaltungen, Gegenstimmen und Abwesenheiten gab als beim Entschließungsantrag. Das erweckt den Eindruck, als hätte man dieses Gesetz absichtlich scheitern lassen wollen, weil man bei CDU und FDP nicht voll dahintersteht. Kurzum: Es war bloß ein taktisches Manöver.

Inhaltlich gesehen gibt es zwischen Merz und der AfD genügend Schnittpunkte um sogar zu koalieren, vor allem auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik. Das Schreckgespenst einer schwarz-blauen Koalition steht im Raum4. Merz lehnt dies zwar lautstark ab5, aber vor dieser gemeinsamen Abstimmung mit der AfD lehnte er genauso in Worten ab, zusammen mit der AfD für Vorlagen im Bundestag zu stimmen6. Innerhalb der CDU glauben zwar 73%, dass Merz nicht mit der AfD koalieren würde, aber 20% der CDUler gehen durchaus davon aus, dass Merz doch mit der AfD koalieren könnte7. Das ist bei weitem keine Mehrheit, aber dennoch eine beachtliche Minderheit in den eigenen Reihen. Diese Koalition könnte aber am Pokern der AfD scheitern und eine Koalition in den merkwürdigsten Kombinationen hervorrufen, wie etwa die sogenannte „Brombeer-Koalition“ aus CDU, SPD und BSW in Thüringen, also sozusagen: jeder mit jedem, außer der AfD. Dies wird der Glaubwürdigkeit der bürgerlichen „Mitte“ noch weiter schaden, weil diese damit den Vorwurf vom „Einheitsbrei“ durch die AfD Vorschub leisten. Wenn jede Partei mit jeder koalieren kann, wo ist dort die Trennschärfe? Es ist doch klar, dass diese, wenn sie überhaupt je real war unter den bürgerlichen Parteien, dadurch völlig abhanden kommt.

Schon im Februar 2020 schrieb ich, als der mittlerweile genauso wie seine Partei FDP in der Versenkung verschwundene Kemmerich mit Stimmen von FDP, CDU und AfD zum Ministerpräsident von Thüringen gewählt worden ist, dass der moderne Reboot der „Eisernen Front“ faktisch am Ende sei8. Das wurde mir selbst unter Genossen von einer Vielzahl nicht geglaubt. Nun haben wir eine ähnliche Situation, aber auf nationaler, nicht Landesebene. Bundesweit finden Demonstrationen „gegen Rechts“ statt, die auf dem längst toten Pferd der „Brandmauer“ herumreiten9. Diese Demonstranten wollen den Status quo erhalten, obwohl dieser nicht zu halten ist. Statt nach vorne zu gehen, wollen sie stehen bleiben. Es nützt auch nichts, dass in Umfragen zwei Drittel der Deutschen eine Koalition mit der AfD ablehnen10. Die bürgerlichen Parteien haben sich nach der Wahl noch nie um ihre Versprechen geschert. Trotz aller Proklamationen wurde aus Weimar nichts gelernt.

Es muss uns klar sein: Der Kampf unter den bürgerlichen Parteien ist ein Scheinkampf. Wir müssen uns als Klasse organisieren, die Werktätigen um uns scharen, statt im Ozean aus politischen Manövern und Lügen uns hin und her schleudern zu lassen. Was wir brauchen, ist eine geeinte kommunistische Partei in einem Bündnis aus pro-sozialistischen Parteien, eine neue Volksfront. Ohne dies hat das Volk gar nichts.

3 Es ist bezeichnend, dass die SPD mit dem Slogan „Mitte statt Merz“ wieder einmal sich als Mitte-Partei präsentiert, ganz wie zu Schröders Zeiten: https://www.spd.de/bundestagswahl/mitte-statt-merz

https://www.hdg.de/lemo/bestand/objekt/plakat-der-kanzler-der-mitte-spd.html

4 https://www.rnd.de/politik/olaf-scholz-im-interview-oefter-auf-den-tisch-hauen-das-ist-meine-lehre-aus-der-koalition-IYYFXNWJP5E5JNWKEVBCPMS73Q.html Olaf Scholz hielt dies Friedrich Merz seit den besagten Abstimmungen im Bundestag immer wieder vor

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