Beispiel Arusha – Warum der „Sozialismus“ der nationalen Bourgeoisie zum Scheitern verurteilt ist
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Im letzten Jahrhundert gab es viele Regime der nationalen Bourgeoisie, wie in Nasser-Ägypten, die baathistischen Länder Syrien und Irak, Myanmar und viele afrikanische Länder. Sie alle sprachen vage von „Sozialismus“, aber immer mit gewissen Zusätzen, wie „arabischer Sozialismus“, „afrikanischer Sozialismus“, den „burmesischen Weg zum Sozialismus“ und weiteren nationalen Termini. Sie alle haben eines gemeinsam: Ihr „Sozialismus“ war bloß Sozialdemokratie, wenn überhaupt irgendwie mit Konzessionen an die Werktätigen greifbar. Ein Beispiel eines solchen Landes ist Tansania unter Julius Nyerere gewesen. Warum wähle ich ausgerechnet ihn als Beispiel aus? Weil er, im Gegensatz zu den anderen Regimen, ehrlich war über das Scheitern der Umsetzung der hochgesteckten Ziele. Nur führte diese Einsicht nicht zu einer Wende von bürgerlicher zu proletarischer Politik, denn auch hier zeigte sich, dass Reformismus in solchen Ländern unmöglich ist.
Im Jahre 1967 verabschiedete man in Tansania die von Nyerere verfasste Arusha-Deklaration. Diese war das Manifest der TANU für das, was sie unter dem Begriff „Sozialismus“ verstanden (den sie „Ujamaa“ nannten). Diese ist in Abschnitte unterteilt, weshalb ich diese Punkt für Punkt durchgehen werde.
1. Es steht im Abschnitt „Das Bekenntnis der TANU“ bezogen auf die sozioökonomischen Verhältnisse unter anderem, dass jeder Mensch das Recht auf Schutz seines gesetzlichen Eigentums hat, ein „Recht auf gerechte Bezahlung“ und gesteht der Regierung das Recht zu, regulierend in die Wirtschaft einzugreifen und den „reibungslosen Ablauf der Volkswirtschaft sicherzustellen“1. Dazu kommen die standardmäßigen bürgerlichen Freiheiten, wie die Gleichberechtigung der Menschen, freie Meinungsäußerung und ähnliche. Diese Grundsätze gehen noch nicht über bürgerliche Maßnahmen hinaus, auch nicht die „gerechte Bezahlung“, denn sie ist unmöglich, solange Lohnarbeit besteht. Schon Marx sagte darüber: „Nach gleicher oder gar gerechter Entlohnung auf Basis des Lohnsystems rufen, ist dasselbe, wie auf Basis des Systems der Sklaverei nach Freiheit zu rufen. Was ihr für recht oder gerecht erachtet, steht nicht in Frage. Die Frage ist: Was ist bei einem gegebnen Produktionssystem notwendig und unvermeidlich?“2 Auf diese Frage kann man erst im Verlauf der Arusha-Deklaration eine Antwort liefern.
2. Im Abschnitt „Der Zweck der TANU“ ist die Rede von einer „demokratischen und sozialistischen Regierung“, dass das „gesamte Eigentum des Landes dazu eingesetzt werden sollte, Armut, Unwissenheit und Krankheit zu eliminieren“, sowie die Förderung von Genossenschaften3. Aber auch hier finden sich nur wenige konkrete Informationen zum ökonomischen System Tansanias.
3. Erst im dritten Abschnitt mit dem Titel „Die Politik des Sozialismus“ finden sich tiefere Informationen über das, was den Ujamaa ausmachen soll. Direkt zu Beginn eine längere Erklärung unter dem Untertitel „Es gibt keine Ausbeutung“: „Ein vollkommen sozialistisches Land ist ein Land der Arbeiter; es hat weder Kapitalismus noch Feudalismus Es hat nicht zwei Schichten von Menschen: eine Unterschicht, die vom Arbeiten lebt; und eine Oberschicht, die davon lebt, daß für sie gearbeitet wird. In einem vollkommen sozialistischen Land beutet nicht einer den anderen aus, sondern jeder, der arbeiten kann, arbeitet, und jeder, der arbeitet, erhält ein gerechtes Einkommen für die Arbeit, die verschiedene Arbeiten verrichten, unterscheiden sich voneinander nicht über Gebühr.
In einem vollkommen sozialistischen Land sind die einzigen, die vom Schweiß ihrer Mitmenschen leben – und ein Recht darauf haben, vom Schweiß ihrer Mitmenschen zu leben – die Kinder, die Alten und die Schwachen, die Behinderten und jene, denen die Gesellschaft zeitweilig keinerlei Arbeit verschaffen kann, wodurch sie sich aus eigener Kraft einen Unterhalt erwerben könnten.
Unser Land ist ein Land der Bauern und Arbeiter, aber es ist kein vollkommen sozialistisches Land. Es hat kapitalistische und feudalistische Grundlagen mit den dazugehörigen Versuchungen. Diese kapitalistischen und feudalistischen Grundlagen können sich weiter verbreiten und ausdehnen.“4 Darauf folgt direkt unter dem Untertitel „Bauern und Arbeiter kontrollieren die wesentlichen Wirtschaftszweige“: „Die einzige Weise, den Sozialismus aufzubauen und zu erhalten, besteht darin, es so einzurichten, daß die Bauern und Arbeiter selbst alle wesentlichen Wirtschaftszweige unseres Landes verwalten und besitzen, wobei sie als Organisation ihre Regierung und ihre Genossenschaften nutzen. Dazu ist es unbedingt erforderlich, es so einzurichten, daß die regierende Partei eine Partei der Bauern und Arbeiter ist.“5 Hier zeigt sich das Problem: Nicht die Arbeiterklasse, sondern die Bauernschaft sollte die führende Rolle haben. Man kann eben deshalb vereinfachend sagen, dass Nyereres Ujamaa einen „humanen Polpotismus“ bedeutete, besonders im Hinblick der Umsiedlungen in Ujamaa-Genossenschaften auf dem Lande. Daraus folgt aber unweigerlich ein bürgerlicher Charakter seiner Regierung, alleine schon vom proklamierten Klassenstandpunkt aus. Er definierte selbst die „wesentlichen Wirtschaftszweige“ als Großbetriebe6, was schon mal eine Nationalisierung dieser Betriebe andeutet. Aber Monopolbetriebe zu verstaatlichen ist ohne Diktatur des Proletariats nicht sozialistisch und ohne Planwirtschaft nicht stabil. Sun Yatsen schrieb ähnliche Bestimmungen in sein Manifest des I. Nationalkongresses der Kuomintang7. Die Frage ist die Existenz von Privateigentum und Lohnarbeit allgemein, egal in welcher Form. Neyerere schrieb: „Wo keine wahre Demokratie ist, gibt es keinen wahren Sozialismus.“8 Das stellt nicht nur Ursache und Wirkung auf den Kopf, sondern ist auch unklar, wie er sich das in der Praxis vorstellt. Auch hier sind einige Fragezeichen zu setzen: „Der Sozialismus kann sich jedoch nicht selbst aufbauen. Denn der Sozialismus ist ein Bekenntnis.“9 Der erste Teil stimmt, der zweite Teil aber ist sehr ungenau. Es ist auch die Rede von einem Fünfjahrplan10, aber nicht, wie dieser konkret umgesetzt werden sollte. Er sprach sich gegen „das Geld“ aus11, was einen positiven Aspekt hat: Die Ablehnung des Warenfetischismus. Der Negativpunkt ist die Unterschätzung der Rolle des Geldes, das nicht bloß die Anwendungsform als Universalware besitzt. Nyerere machte klar, dass höhere Staatsausgaben durch höhere Steuern gedeckt werden müssen und dass, wer das nicht anerkennen will, eben „mehr Milch fordern“ würde „ohne zu wollen, daß die Kuh wieder gemolken werde“12. Das stimmt. Dem kann aber etwas entgegengewirkt werden durch die Steigerung der Arbeitsproduktivität. Was aber über dieses Niveau hinausgeht, das führt zu einem Anziehen der Steuerschraube. Für Finanzmittel aus dem Ausland gab Nyerere drei Kategorien an: „Geschenk“, „Darlehen“ und „Kapital als Handelsobjekt“. Geschenke seien „Geld ohne Gegenleistung“, Darlehen Anleihen aus dem Ausland mit „Zahlungsbedingungen, wie z. B. Zahlungsfrist und Zinssatz“ und Kapital als Handelsobjekt bedeutet nichts anderes als die Zulassung von Kapitalinvestitionen aus dem Ausland13. Es wird angemerkt, dass die Steuern von den Reichen in Tansania nicht für die Verwirklichung der Fortschrittspläne ausreichen würden14. Nyerere rief zur Vorsicht bei Darlehen auf: „Wahre Selbstbestimmung ist unmöglich, wenn eine Nation in bezug auf ihren Fortschritt von den Unterstützungen und Darlehen einer anderen Nation abhängt.“15 Das ist richtig, besonders, wenn man überschuldet ist und gezwungen wird, das sprichwörtliche Tafelsilber zu verkaufen. Das mussten viele afrikanische Länder in den vergangenen Jahrzehnten tun. Die Fesselung der Abhängigkeit zog sich immer enger um diese Länder und sorgt zu einem beträchtlichen Teil für die inneren Probleme dieser Länder, abgesehen von ihrem kolonialen und kapitalistischen Status. Gegenüber den Investitionen von ausländischem Kapital drückte Nyerere sich ähnlich aus, auch wenn er zugab, dass ein Gesetz verabschiedet wurde, das ausländisches Kapitaleigentum schützt16.
Anschließend kam Nyerere auf die Binnenwirtschaft zu sprechen. Über die Industrie sagte er: „Wir haben zuviel Gewicht auf Fabriken gelegt.“17 Er behauptete sogar, dass der Fortschritt nicht mit den Fabriken beginnen würde18. Dabei ist es die Industrie, die die Produktivkräfte entwickelt. Trotzdem wollte Nyerere nicht völlig auf den Bau von Fabriken verzichten19. Es wird gesagt, die meisten Mittel seien in den Städten investiert worden20. Deshalb nannte Nyerere die Stadtbewohner „Ausbeuter der Bauern“21. Wirtschaftlich zeigt er auf, dass er der Bauernschaft die führende Rolle gab22. Die Versorgung mit den Nahrungsmitteln, Arbeitsmoral und eine „einwandfreie Politik“ sind auch Punkte gewesen, die programmatisch benannt worden sind23.
4. Im letzten, nicht sehr langen Abschnitt werden die Anforderungen an die Parteimitglieder der TANU definiert. Die Partei selbst sei eine „Partei der Bauern und Arbeiter“24. Auch durften die Parteimitglieder keine Ausbeuter sein und keine Mietshäuser besitzen25. Dazu kam noch die Teilnahme an der „sozialistischen Politik“ der TANU und deren politisches Bekenntnis26. Man kann insgesamt ersehen, weshalb es sich beim Ujamaa lediglich um Bourgeoisie“sozialismus“ handelt.
Die Herausgeber des Bandes, welche von einer Organisation der KPD (1970) stammten, merkten bereits im Vorwort an, dass Ujamaa in der Praxis kein Sozialismus ist, sondern Sozialdemokratie. Sie merken an, dass „die Ujamaa-Theorie starke utopische Züge trägt“ und der Klassenkampf bloß auf „Fehlverhalten einzelner Regierungsfunktionäre“ zurückgeführt werden würde27. Aber das ist hier sekundär, denn Nyerere gab selbst zu, dass die Umsetzung seiner hohen Worte weitgehend nicht erfolgt ist. Er nannte sich selbst einen „schlechten Propheten“28 in einer Rede im Januar 1977 zum 10. Jahrestag der Arusha-Deklaration. Er meinte 1967, Tansania würde 30 Jahre benötigen, um den Sozialismus zu erreichen, aber würde vom Standpunkt von 1977 aus sagen, dass es noch „viel länger“ brauchen würde29. Das erinnert an Statements aus dem heutigen Venezuela30, das ebenfalls einer Schattierung des Bourgeoisie“sozialismus“ anhängt. „Ein Leben in Armut – das ist immer noch das Schicksal der Mehrheit unserer Bürger.“31, sagte Nyerere weiter. Die dazu führenden Einzelprobleme, wie den Mangel an Gütern32, erwähnte er im Verlauf der Rede. Das ist natürlich nach zehn Jahren in einem rückständigen Land normal, man kann keinen so riesigen Sprung erwarten, selbst wenn Tansania tatsächlich sozialistisch gewesen wäre. Es wäre besser geworden, aber noch nicht auf einem Punkt, den man „gut“ nennen könnte. Aber dies zeigt, dass man es nicht mal ernsthaft versucht hat: „Tanzania ist noch immer eine abhängige, keine unabhängige Nation. Wir haben unser Ziel noch nicht erreicht. Es ist nicht einmal in Sichtweite. Noch ist kein Land in der Welt vollständig sozialistisch, obwohl sich viele schon Jahrzehnte, bevor Tanzania unabhängig wurde, zu dieser Lebensanschauung bekannten.“33 Das zeigt, dass Nyerere den Marxismus nicht als eine valide sozialistische Theorie und Praxis ansah. Er sagt es nicht offen, aber deutet es an, indem er behauptet, es gäbe noch gar keine „vollständigen sozialistischen Länder“. Die Ausbeutung hatten aber schon eine ganze Reihe sozialistischer Länder beseitigt, womit sie „vollständig“ sozialistisch waren. Nyerere behauptete auch, man habe in Tansania die Klassengesellschaft beseitigt34. Das ist natürlich absurd. Dann dürfte es keine Unterschiede zwischen Arbeitern und Bauern geben, kein kapitalistisches Eigentum und so weiter. Aber das bestand ja eben weiter in diesem Land. Natürlich wurden die Großbetriebe nationalisiert, das erwähnt Nyerere auch nochmals und die Bedeutung davon, um den Abfluss an Geldmitteln ins Ausland zu unterbinden35. Ein Problem ist jedoch, dass man die Leichtindustrie hauptsächlich entwickelte36. Ausländische Kapitalinvestitionen wurden auf Joint Ventures gedrosselt, die unter 50% Eigentumsanteil im Ausland haben37. Das Wirtschaftswachstum hatte sich gegenüber der Zeit vor 1967 verlangsamt38, man habe investiert, aber die Auslastung liege teilweise unter 50%39. Das deutet auf Disproportionen in der Wirtschaft hin, aber dazu würde es einer tieferen Analyse benötigen. Der Fokus auf die Leichtindustrie bestärkt diesen Verdacht. Nyerere erwähnt, dass die Milchbetriebe Probleme hätten,w eil die örtlichen Bauern nicht genügend Milch erzeugen und dass teilweise der Import von Rohmaterialien unterbrochen wird40. In den Dörfern herrschten noch Schmiede vor, weil es an modernen Schmelzöfen mangelte41. 70% der Bevölkerungen seien innerhalb von drei Jahren umgesiedelt worden auf dem Lande42. 1973-1975 wurde eine Hungersnot durch Nahrungsmittelimporte angewendet43.
Nyerere kam auf die Erfolge der Entwicklung des Bildungswesens zu sprechen, besonders der Alphabetisierungskampagne44. Man reduzierte in Tansania die Einkommensschere, die zu den Spitzeneinkommen bestand45. Nyerere kam auch auf Probleme der Landwirtschaft zu sprechen. So gab er zu, dass man kaum genug Nahrungsmittel für die Stadtbevölkerung, die nur einen kleinen Teil der Gesamtbevölkerung ausmachte, erzeugte46. Ein Problem war auch, Traktoren an Dörfer zu verkaufen, die keine Kenntnisse über Wartungsarbeiten besitzen47. Nyerere wandte sich gegen die Zerstörung der Natur durch Raubbau an den Bäumen48. Er wandte sich außerdem gegen die aufkommende Korruption, Diebstahl und Amtsmissbrauch49, sowie die Aufblähung der Verwaltungskosten50. Wieder einmal betonte Nyerere, dass „ein Kalb nur soviel Milch trinken kann, wie das Muttertier produziert“51, also nur das verbraucht werden kann, was produziert wird. Bei den Außenhandelsbeziehungen betonte Nyerere hauptsächlich die Beziehungen zu China, Mosambik, Kuba, Kanada und den skandinavischen Ländern52. Bei der politischen Agitation kritisierte Nyerere: „Veranstaltungen sind oft Monologe, und es wird kaum Zeit, wenn überhaupt, auf die Diskussion verwandt.“53 Und sagte später: „Die Führer Tanzanias müssen akzeptieren, daß Demokratie das Herzstück des Sozialismus ist.“54 Diese Kritik ist ein universelles Problem bei demokratischen Körperschaften. Darauf sollte man stets achten. Am Ende seiner Rede erhoffte Nyerere, dass der 20. Jahrestag der Arusha-Deklaration „produktiver“ sein möge und Tansania dann eine wirklich freie Nation sein würde55. Dem war aber nicht so.
In einem Interview im Jahre 1985 sagte Nyerere: „Ich glaube an das Sprichwort ´Benutze den Kapitalisten, wenn du den Sozialismus entwickeln willst.“56 August Bebel sagte einmal: „Der Socialismus ist die logische Folge der Uebel, die der Kapitalismus erzeugt. Ohne kapitalistische Entwicklung keine socialistische Bewegung.“57 Es wäre aber eine Lächerlichkeit beide Aussagen auf eine Stufe zu stellen. August Bebel befand sich nicht an der Spitze einer sich als sozialistisch bezeichnenden Regierung, er wies darauf hin, dass die Widersprüche des Kapitalismus zum Anschwellen der sozialistischen Bewegung führen. Nyerere behauptet hier jedoch, der Kapitalismus könne den Sozialismus entwickeln. Dem ist aber nicht so, er ist diesem klassenmäßig diametral entgegengesetzt. Er kann ihn nur insoweit „entwickeln“, als dass er die Werktätigen zur Revolution nötigt. Außerdem ist einem TANU-Mitglied ist es laut Arusha-Deklaration nicht erlaubt, „irgendetwas Kapitalistisches oder Feudalistisches“ zu tun58. Nyerere wurde mit der Zeit seinen eigenen Prinzipien zunehmends untreuer. Das geschieht eben durch die inneren Widersprüche dieses Bourgeois“sozialismus“, man kann die Interessen der Bourgeoisie und der Werktätigen nicht unter einen Hut bekommen.
Uns Marxisten muss es eine Lehre sein, nicht bloß auf Propagandaplakate und Reklameschilder zu starren, sondern den tatsächlichen Inhalt zu analysieren. Sun Yatsen sprach, wie Nyerere, auch vom Sozialismus, als er seine Drei Volksprinzipien darlegte59. Aus Sicht des Marxismus entsprach sein „Sozialismus“ aber keineswegs diesen Anforderungen. Man darf nicht bloß auf oberflächliche Begrifflichkeiten blicken, sonst gibt man Worten mehr Gewicht als Taten, stellt die Idee vor die Realität und geht von Marx zurück zu Hegel. Wir sind keine „Pan-Sozialisten“, die alles als Sozialismus anerkennen, was sich selbst so bezeichnet. Die SED tat genau dies in einem Beschluss des Politbüros am 10. Januar 198960. Das war aber eben ein Ausdruck des Revisionismus und das muss klar benannt werden. Für uns Marxisten hat der Sozialismus als Grundbedingungen: 1. Vor allem anderen die Diktatur des Proletariats; ohne die Herrschaft der Werktätigen ist der Sozialismus unmöglich. Daraus folgt auch der Klassenkampf im Sozialismus. 2. Die Existenz von Volkseigentum und Kollektiveigentum, bei Ausmerzung des Privateigentums. 3. Eine Planwirtschaft, die die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekte berücksichtigt und auf der proportionalen Entwicklung fußt. Sind diese Bedingungen nicht alle gegeben, dann ist es eine Lächerlichkeit von Sozialismus zu reden. Die revisionistischen Länder hatten vor der Beseitigung der Planwirtschaft und den Privatisierungen die Diktatur des Proletariats faktisch beseitigt, dennoch war wenigstens das Eigentum weiterhin sozialistisch, zumindest das legale Eigentum. Was allzu viele Genossen nicht beachten, ist der Schwarzmarkt. Nur weil kapitalistische Ausbeutung im Sozialismus formell verboten ist, heißt es nicht, dass unter bestimmten Bedingungen, wie die Beseitigung der Planung und die daraus folgenden ökonomischen Probleme, dies nicht trotzdem illegal versucht werden könnte. Eine Analyse der Wirtschaft eines Landes kann sich also nicht bloß auf die legale „Tagwirtschaft“ beschränken, sondern muss auch die Untergrundwirtschaft in Betracht ziehen. Ohne materielle Gewalt sind Gesetze eben nur Papier.
1Vgl. Julius K. Nyerere „Die Arusha Deklaration – Zehn Jahre danach“, Verlag Internationale Solidarität, Köln 1977, S. 77/78.
2Karl Marx „Lohn, Preis und Profit“ (Juni 1865) In: Karl Marx/Friedrich Engels „Werke“, Bd. 16, Dietz Verlag, Berlin 1962, S. 132.
3Vgl. Julius K. Nyerere „Die Arusha Deklaration – Zehn Jahre danach“, Verlag Internationale Solidarität, Köln 1977, S. 78/79.
4Ebenda, S. 79.
5Ebenda, S. 80.
6Siehe: Ebenda.
7Siehe: „Manifest des I. Nationalkongresses der Guomindang Chinas“ (23. Januar 1924) In: Sun Yatsen „Reden und Schriften“, Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1974, S. 273.
8Julius K. Nyerere „Die Arusha Deklaration – Zehn Jahre danach“, Verlag Internationale Solidarität, Köln 1977, S. 80.
9Ebenda.
10Siehe: Ebenda, S. 82.
11Siehe: Ebenda, S. 82 ff.
12Ebenda, S. 84.
13Vgl. Ebenda, S. 85.
14Vgl. Ebenda, S. 86.
15Ebenda, S. 87.
16Vgl. Ebenda, S. 88/89.
17Ebenda, S. 89.
18Vgl. Ebenda, S. 90.
19Siehe: Ebenda, S. 95.
20Vgl. Ebenda, S. 90.
21Ebenda, S. 92.
22Siehe bspw.: Ebenda, S. 94. Dort gibt Nyerere der Landwirtschaft den Vorrang.
23Siehe: Ebenda, S. 96 ff.
24Ebenda, S. 98.
25Vgl. Ebenda, S. 99.
26Siehe: Ebenda, S. 99/100.
27Vgl. Ebenda, S. 8.
28Ebenda, S. 19.
29Vgl. Ebenda.
30https://youtu.be/ihxURzzcCls Ab 7:05. Dies ist ein Interview von RT Deutsch mit dem damaligen venezolanischen Handelsminister Jesus Faria im Jahre 2016.
31Ebenda, S. 19/20.
32Siehe: Ebenda, S. 22.
33Ebenda, S. 20.
34Vgl. Ebenda.
35Siehe: Ebenda, S. 26.
36Siehe: Ebenda, S. 27.
37Siehe: Ebenda, S. 29.
38Vgl. Ebenda, S. 53.
39Vgl. Ebenda, S. 54.
40Vgl. Ebenda, S. 55.
41Siehe: Ebenda, S. 52.
42Vgl. Ebenda, S. 64.
43Vgl. Ebenda, S. 72.
44Siehe: Ebenda, S. 31.
45Siehe: Ebenda, S. 36.
46Vgl. Ebenda, S. 40.
47Vgl. Ebenda, S. 50.
48Siehe: Ebenda, S. 41.
49Vgl. Ebenda, S. 44.
50Siehe: Ebenda, S. 56.
51Ebenda, S. 48.
52Siehe: Ebenda, S. 46, 47 und 74.
53Ebenda, S. 66.
54Ebenda.
55Vgl. Ebenda, S. 75.
57„August Bebel in Berlin an die Redaktion der ´Heimin Shimbun´ in Tokio“ (19 Juni 1907) In: August Bebel „Ausgewählte Reden und Schriften“, Bd. 9, K. G. Saur Verlag, München 1997, S. 128.
58Vgl. Julius K. Nyerere „Die Arusha Deklaration – Zehn Jahre danach“, Verlag Internationale Solidarität, Köln 1977, S. 81.
59Siehe bspw.: „Aus den Lektionen über die ´Drei Volksprinzipien´“ (Januar bis August 1924) In: Sun Yatsen „Reden und Schriften“, Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1974, S. 314.