Äquidistanz als Krisenerscheinung der kommunistischen Bewegung – Oder: Linkes Sektierertum wird den Aufbau der Kommunistischen Partei nicht beschleunigen
Verehrte Leser, im Folgenden bieten wir einen Beitrag von Kommunistisches Gespenst dar.
„Man muss die größte Treue zu den Ideen des Kommunismus mit der Fähigkeit vereinen, alle notwendigen praktischen Kompromisse einzugehen, zu lavieren, zu paktieren, im Zickzack vorzugehen, Rückzüge anzutreten und ähnliches mehr.“1 – Lenin
Nach jahrelangem Hin und Her ist es nun endlich so weit. Das Wagenknechtlager hat beschlossen eine eigene Partei zu gründen, vorläufig soll das Projekt „Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit“ heißen. Innerhalb großer Teile der kommunistischen Bewegung weiß man schon jetzt: für Kommunisten gibt es dort nichts zu gewinnen, denn, so die scharfsinnige Beobachtung, mit dem BSW haben wir es nicht mit einer kommunistischen Kaderpartei zu tun. So schreibt beispielsweise die KO (Fraktion Göttingen) „Weder Die LINKE, noch Wagenknecht – für den Aufbau einer Kommunistischen Partei!“2.
Zuerst wird kurz auf die Verbrechen der PdL in Regierungsfunktion eingegangen und dann attestiert, dass die Partei „mit ihrem sozialdemokratisch-reformistischen Ansatz ohnehin zum Scheitern verurteilt war“. Es ist richtig, dass die PdL ihre historische Aufgabe nicht erfüllt hat. Während aus der ebenso links-sozialdemokratischen USPD durch eine Abspaltung die KPD entstand, steht heute die deutsche Linke vor den Trümmern der gescheiterten PdL. Nun hinkt dieser Vergleich von USPD und PdL natürlich an einigen Stellen, so stand die USPD um ein Vielfaches weiter links, als die PdL und die historische Gesamtsituation war eine völlig andere, dennoch sehen wir, dass es eben sehr wohl links-sozialdemokratische Parteien gab, die sich für unsere Sache nutzen ließen. Das zeigt: so einfach wie es sich die KO macht, ist die Welt leider nicht. Auch eine links-sozialdemokratische Partei kann beispielsweise ein zu begrüßender taktischer Zwischenschritt auf dem Weg zur Bildung einer Kommunistischen Partei sein.
BSW oder KP ist also eine falsche Fragestellung. Was uns Kommunisten interessieren muss, ist vielmehr die Frage, ob das BSW das Potenzial hat als taktischer Zwischenschritt zur Formierung einer KP einen Beitrag zu leisten. Ausgehend von der PdL ist das BSW eindeutig eine Linksabspaltung. Wirtschaftspolitisch mit antimonopolistischer Programmatik noch auf einer Linie mit der PdL zeigt sich vor allem bei der Frage der Friedenspolitik und der Bewertung der faschistoiden linksliberalen Ideologie und Bewegung (hierauf bin ich bereits in einem kurzen Artikel eingegangen, weshalb ich das Ganze an dieser Stelle nicht weiter ausführe) der starke Linksruck. Es wird sich klar für Abrüstung, gegen Waffenlieferungen und für eine aktive Friedenspolitik ausgesprochen, Verengungen im Meinungskorridor und weitere reaktionäre Einschnitte in bürgerlich-demokratische Freiheiten aufs schärfste kritisiert.
Mindestens genauso wichtig, und einhergehend mit dem antilinksliberalen programmatischen Linksruck ist aber die Orientierung auf eine andere Wählergruppe. Während die PdL zunehmend Politik für urbane, (klein-)bürgerliche Akademiker gemacht hat und sich damit kulturell immer weiter von den Arbeitern, insbesondere der ärmeren Hälfte der Bevölkerung, entfremdet hat, nimmt das BSW wieder dezidiert diese Menschen in den Fokus ihrer Politik. Vorläufige Umfragen zeigen, dass dies potenziell Erfolg haben könnte. Mit der antilinksliberalen Programmatik und dem Fokus auf die ehemaligen Wählergruppen der PdL, würden sich, sollte sich das BSW im Parteiensystem der BRD langfristig etablieren können, die aktuell von linksliberal faschistoiden und rechtspopulistisch faschistoiden Positionen dominierten Diskurse wieder mehr hin zu wesentlichen Themen verschieben: Umverteilung, Friedenspolitik und Verteidigung bürgerlich demokratischer Rechte gegen reaktionären Staatsumbau.
Das BSW könnte also zu einer Stärkung des Klassenbewusstseins führen, wodurch Arbeiter sich wieder dezidiert als Arbeiter begreifen, auch wenn es vorerst ein reformistisches Klassenbewusstsein wäre. Allein das wäre aber ein Fortschritt zum diffusen Status quo, an den Kommunisten produktiv anknüpfen können, spätestens dann, wenn die Reformwünsche der BSW-Basis in objektiven Widerspruch zur Politik der BSW-Führung gelangen. Auch für die außerparlamentarische Linke könnte das BSW eine heilsame Wirkung haben. Wenn das BSW sich als linkssozialdemokratische Kraft etabliert, würde dies sicherlich auch auf die außerparlamentarische Linke einen gewissen Einfluss haben, der sich (bestenfalls) primär darin ausdrücken würde, dass der linksliberale Einfluss zurückgedrängt, und die außerparlamentarische Linke damit auch wieder attraktiver für ein nicht urban-akademisches Milieu wird. Damit würden sich für die außerparlamentarische Linke generell und für die kommunistische Bewegung im Besonderen ganz neue Möglichkeiten auftun.
Aktuell erscheint es natürlich unwahrscheinlich, wenn auch nicht gänzlich ausgeschlossen, dass sich aus einem linken Flügel des BSW, wie einst aus der USPD, zukünftig eine neue KP abspalten wird. Dennoch ist die Linksabspaltung des BSW taktisch zu begrüßen, da sie uns Kommunisten die Arbeit zukünftig deutlich leichter machen wird und somit zumindest indirekt einen Beitrag zur Bildung einer Kommunistischen Partei leisten könnte. Die PdL ist politisch bankrott, wir haben also kaum etwas zu verlieren, aber eine neue linkssozialdemokratische Massenpartei zu gewinnen.
1Lenin, Wladimir Iljitsch: DER „LINKE RADIKALISMUS“: Die Kinderkrankheit im Kommunismus, 3. Aufl., Berlin, Deutschland: Manifest Verlag, 2021, S. 114